Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
Vom Netzwerk:
ruhig hinzu.
    »Verdammte Duplizitäts-Gören!« brach der Rittmeister wieder los (und da war er also, der terminus technicus, den er sonst für das Zwillingspaar nur insgeheim gebrauchte, wenn er etwa seine Trópoi befuhr, rasch und äußerst trivial, wie wir alle). »Hat man eine Last mit dem Volk! Hauptbeutel! Gedankenlosigkeit! Kann wohl bewiesen werden, verdammt noch mal! Blödsinnige Korrespondenz! Was schiert's mich, kratzt mir die Augen aus, zerspringt, wenn ihr mögt, éclatez toutes les deux, aber mir war doch bei deiner Briefschreiberei aus Wildungen an Mimi nie recht wohl. So gegen die Mitte des Juli schon, da schien man hier stark unter Druck gesetzt, wegen vorgeschrittener Zeit und Melzer und dem ganzen TabakStuß. Gewissensdruck. Na, da hab ich mir denn einmal einen von deinen Briefen, Edithchen, gelangt. Gleich ab Hauptpost, mit Mimis Paß. Ihr vermeintet euch ja hauptpostlagernd sicher. Will mal unumwunden zugestehen, daß dieses einen Übergriff darstellte. Aber er geschah durchaus nur in Melzers Interesse. Und da hatte man denn die Bescherung …«
    »Du Armleuchter«, bemerkte Editha ganz beiläufig. »Du kannst dich doch nicht auf der Post als eine Frau Mimi Scarlez ausgegeben haben. Hast wohl die Thea geschickt?« »Jawoll, hab' ich«, sagte Eulenfeld. »Aber bleiben wir schön bei der Sache. Du setzest dich also zu Wildungen, Nieder-Wildungen, Bad Wildungen, im ›Fürstenhof‹ auf deinen Diesbezüglichen und verfaßt eine nochmalige General-Instruktion für Mimi, zugleich Monitorium, worin nicht nur mein eigener Name schmählich eitel genannt wird – unter Hinzufügung des Epitheton ornans ›Otto, der alte Tepp‹ (›soll Dir helfen, statt Dir im Wege herumzustehen‹ heißt es weiterhin im Texte) – worin also nicht nur mein eigener Name eitel genannt wird, sondern auch der des Majors Melzer, jedoch nicht eitel im eigentlichen Sinne, sondern hineingestellt in einen für Melzer wahrhaft perniciös kompromittierenden Zusammenhang: nämlich in deine hahnebüchene und lächerliche Zigaretten-Geschichte. Hätte dich wahrhaftig nicht zu fragen gebraucht, was du von Melzer eigentlich willst, denn das steht alles haarklein in der Epistel zusammengefaßt, zudem verziert mit nicht eben übermäßig zartfühlenden Ermunterungen für Mimi. Recht ordinär, entre nous gesagt. Wollt' es nur aus deinem Munde noch einmal hören, und ob du nicht doch eines diesbezüglich anderen Sinnes geworden seist. Quod non, ut videtur. Das ist also noch alberner, gedankenloser und zerfahrener als die ganze Wedderklopsiade selbst. Braucht nur ein solcher Brief irgendwo liegenbleiben, hängenbleiben, verloren gehen, geöffnet werden, gelesen werden, und du hast mehr und Schlimmeres angerichtet, als du in deinem diesbezügli chen Dösköppchen dir vorzustellen auch nur annähernd in der Lage sein kannst.«
    »Lächerlich. Es gibt keine Zensur. Wir sind nicht im Jahre 1825. Wir haben das Briefgeheimnis.«
    »Hat sich was. Im Lande des heute noch recenten weiland Herrn von Sedlnitzky. Da gibt's wohl auch diesfalls von amtswegen gemachte diesfällige Ausnahmen.«
    »Hör auf, das ist Stumpfsinn.«
    »Na schön, und wenn schon nicht von amtswegen. Dessen bedarf 's gar nicht. Da, sieh etwa hinüber auf Mimis Sekretär, wo der ganze Unsegen sogar wohlgeordnet in Fächern offen und zugänglich steht. Und nach jenem Pröbchen läßt sich ermessen, wie's da in denen sämtlichen Episteln aussehen mag. Euch scheint ein Unstern in's diesbezügliche Hirn, soweit vorhanden, geschienen zu haben. Täglich kommt hier eure Bedienerin herein, und, soviel ich bereits Gelegenheit hatte zu bemerken, laßt ihr dieselbe durchaus solo herumwirtschaften. Aber davon gar nicht zu reden. Auf dem langen Wege, den ein Brief macht, ist allemal genug Gelegenheit, daß er durch irgendeinen teuflischen Zufall in unrechte Hände gelangt. Der Böse reitet schnell und schläft nie.«
    »Magst du meinetwegen grundsätzlich darin recht haben«, äußerte Editha jetzt ruhig und sachlich, »daß dieser Brief, den du gestohlen hast, eine Unvorsichtigkeit bedeutet. Jedoch, sie ist ein Einzelfall geblieben, dessen kann ich dich versichern. In keinem der anderen Briefe, die Mimi erhalten hat, seit sie hier ist, wird die Angelegenheit auch nur erwähnt oder gar Melzers Name genannt. Bestimmt nicht. Stell' dich nicht dumm, du weißt es ganz genau. Denn wenn du einen Reisepaß stiehlst, um durch eines von deinen Menscherln einen nicht an dich ge richteten Brief beheben

Weitere Kostenlose Bücher