Die Strudlhofstiege
ungehindert und unter der Hand aus dem Land schleppen könnte. Zudem müßte eure Münchener Manufaktur sehr bald ihre Pforten schließen. Endlich schätze ich, daß nicht unerhebliche Schwierigkeiten mit dem Heiligen Bayrischen Reich preußischer Nation entstünden, wenn die österreichischen Behörden so mir nichts dir nichts einen ungesetzlichen Export von Tabakwaren andauernd dulden oder begünstigen würden: man wüßte sich da schon zu helfen. Deinen gesunden Menschenverstand in Ehren, aber so einfach ist's denn doch nicht. Jedoch der eigentliche Haken sitzt anderswo. Als eifriger Zeitungsleserin ist dir im Café Tomaselli in Salzburg vielleicht nicht entgangen, daß sich hier im Juli schon ein Geschrei erhob über erhebliche Abgänge von Tabakwaren in den Depots der Regie, alias Unterschlagun gen, oder wie man's immer nennen mag: diese Posten sollten in's Ausland verschoben werden, wie die hohe Polizei wissen will. Italien oder Deutschland, heißt es. Ersteres dürfte Blödsinn sein, was sich aus dem derzeitigen Stande der Lira ergibt. Letzteres wird möglicherweise versucht und vielleicht gerade jetzt, wo die Sache schon wieder etwas abgeklungen ist. Wenn die Polizei den Verschieber hat, darf sie hoffen, weiterhin auch den Dieber zu finden. Da werden denn eure Finanzorgane an der Grenze, Spinatwachter, wie Ihr sagt, auch dabei mitwirken müssen. Facit: die erhöhte Aufmerksamkeit nicht nur der Polizei, sondern auch insbesondere der österreichischen Zollbehörde fällt genau auf den gleichen Punkt wie jene der Zollwache des diesbezüglichen Heiligen Reiches. Compris?!«
Seine Ausdrucksweise war zuletzt doch wieder etwas behaglicher geworden, und er hatte dabei das Monokel fallen lassen. Jetzt indessen, während Editha und Mimi schweigend auf ihren Sesseln saßen, stieg es in der entstehenden Pause neuerlich hoch.
»Summa: Ich frage dich noch einmal, was du von Melzer eigentlich willst.«
»Das weißt du ohnehin. Aus dieser Kleinigkeit eine staatsgefährliche Sache zu machen ist lächerlich.«
»Staatsgefährlich nicht, aber melzer-gefährlich, also für den Melzer gefährlich. Hast Du Wedderkopp irgendwas zugesagt oder fest versprochen?«
»Du scheinst verrückte Schwammerln gefressen zu haben«, sagte Editha. »Wedderkopp weiß von gar nichts und hat hintennach tausend Ängste für mich erlitten wegen ein paar Schachteln aus Salzburg mitgebrachter Virginier, obwohl doch da nicht im geringsten was passieren kann.« (Beim Lü gen fehlten ihr nie die Details.) »Aber ich weiß mit Sicherheit, daß ihm an den Sachen viel liegt, nicht wegen des Geschäfts, das ist ja für seine Verhältnisse unbedeutend, sondern aus dem Grunde irgendwelcher persönlicher Beziehungen, die er sich warm halten will. Ich weiß, daß er sehr angenehm überrascht wäre. Auch damals war's so, wie durch mich die vorteilhafte Verbindung mit Enrique eingeleitet worden ist.«
»Das kann man in keiner Weise nebeneinander stellen«, bemerkte Eulenfeld. Er blieb in gleichem Abstande von den beiden Frauen wie angewachsen am Boden und rührte sich nicht vom Fleck.
»Es besteht also für dich keinerlei Nötigung oder Pression«, setzte er noch abschließend hinzu.
»Blödsinn«, sagte Editha.
»Warum dann also?«
»Mußt du alles zwanzigmal hören?«
»Nein. Einmal genügt.« (Was Eulenfeld jetzt noch sagte, brachte er gleichsam mit einem sauren Gesicht heraus, nicht eigentlich wie eine Aussage oder Mitteilung, sondern als nehme er etwas ein, eine Medizin, ein Mittel, das nicht zum besten schmeckte – er applizierte sich selbst die eigenen Worte, während gleichzeitig die Herren Vorfahren aus seinem diesbezüglichen Antlitze sich zurückzogen, wodurch dieses viel jünger zu werden schien, ja, es erschien etwas ungebührlich Junges darin, ein Gymnasiast nämlich, der hier zur Durchdringung mit einem recht faltigen aber im Grunde gutmütigen Bernhardiner gelangte). »Ich kenne das, heiliger Strohsack! Ja, ja. Warum denn gradaus, wenn's auch krumm geht. Edith'chen, du bist mir plan verständlich. Sie will Kriminal-Roman spielen. Einen saudummen und dilettantischen obendrein. Scheichs beutel sagt nie was. Aber diesmal hat er das edle Haupt gebeutelt. Der Scheich hat das Haupt gebeutelt. Hauptbeutel. Aber sie tut's nicht anders. Auch hätte die Mimi zuerst und allein als Editha zu den Eltern gehen sollen. Freilich, so ganz einfach auf die Wieden und in die Gußhausstraße pilgern, die eine geht voraus und bereitet die armen Alten vor und
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