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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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Verhinderung des Exports von Tabak-Waren, als vor allem zur Sistierung entwendeter Posten und damit vielleicht Ermittlung der Täter – zweifellos früher oder später Aufklärung bringen, mindestens aber verbrecherischen Elementen die Lust zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit auf diesem nun we nig aussichtsreichen Gebiete nehmen würde. Als der Amtsrat noch den Major befragte, ob nicht auch legale Formen des Exports, also amtswegige – da ja die Tabak-Regie doch in gewissen Fällen Erzeugnisse ausführe – mißbraucht werden könnten, gestand Melzer ohne weiteres ein, von dem dabei eingehaltenen Vorgang oder Verfahren nichts zu wissen als dies, daß es, wohl der Sicherheit wegen, einigermaßen kompliziert sein müsse, was er vor kurzem allein schon habe aus den neuen, für diesen Zweck eingelangten Drucksorten ersehen können, die zufällig in der Registratur, wo man in diesen Tagen eben das Inventar des vorhandenen Materiales vornahm, auf einem der Tische gelegen hätten. Er könne sich schwer vorstellen, sagte Melzer, daß jemand in dieser Sache, sei er auch gut eingeweiht, einen Schwindel wirklich durchzuführen imstande wäre.
    Pichler, der Werkmeister, hörte bei alledem mit Interesse zu, trank jetzt auch ein Gläschen – mit seiner Frau und dem Major anstoßend – aber seine Anteilnahme schien so lebhaft nicht mehr wie früher, als Zihal jenen Vortrag über das (transzendentale) Wesen der Amts-Ehre gehalten hatte. Paula wandte sich an Melzer und fragte, ob sie ihm mit Thea zusammen einmal einen Besuch machen dürfe, wenn er daheim sei? (So warf sie die Verbindungsleine – sie hatte nun einmal den Schritt ins Handeln getan.) Im Amt wollten sie ihn keinesfalls mehr stören, sagte sie, die Pichler. »Ich bin von dort immer um längstens fünf Uhr schon zurück«, antwortete der Major, welcher sich jetzt unversehens wie von einer hellen Woge emporgeworfen fand, auf deren schäumendem Kamm er mit einiger Mühe balancierte, »ich würde mich unendlich freuen.« Zugleich empfand er die Schwächlichkeit dieser letzten, wenngleich doch recht superlativen Worte, gemessen an dem, was er fühlte, nicht sagen konnte, doch sagen wollte. »Da wird's aber gut sein«, bemerkte der Werkmeister, »wenn ihr den Herrn Major um die private Telephon-Nummer bittet, damit ihr dem Herrn Major nicht vielleicht ungelegen kommt.« Paula empfand rasch und deutlich, bei aller Vernünftigkeit dessen, was ihr Alois eben in Erinnerung brachte, doch den Zusammenhalt der Mannsbilder, ganz unzweifelhaft, und wie hier ein Verheirateter die Interessen eines Junggesellen wahrnahm, in diesem Ring-Verein. Jedoch es gefiel ihr jetzt eigentlich. Man stand schon, um sich zu verabschieden. Sie schob ihren Arm unter den ihres Mannes, mit leichtem Druck, den Pichler sanft erwiderte. Der Major hatte seinem Portefeuille ein Kärtchen entnommen und es Paula gereicht. »Bei wem wohnen Sie denn da, Herr Major?« fragte sie ganz ungeniert, während sie feststellte, daß auf der Visitekarte auch die Telephon-Nummer rechts unten gedruckt war. »Was du alles wissen willst!« sagte der Werkmeister lachend. »Bei einer Frau Rechnungsrat Rak«, antwortete Melzer.

    Es dämmerte. Er hatte mit Thea Rokitzer den Heimweg gemeinsam; der Amtsrat bog bald nach rechts ab, nicht ohne ein zeremoniöses Kompliment getan zu haben, das von Melzer ebenso erwidert worden war (und mit einem Gefühle wirklicher Hochachtung). Der kleine, aber umständliche Vorgang vollzog sich noch in einem der Gäßchen des alten Stadt-Teils, welchen der Amtsrat nun verließ.
    Im Dahingehen neben Thea, die von Melzer nur um ein geringes an Körpergröße überragt wurde, im Dahingehen neben ihrem nicht trippelnden, aber von Wohlanständigkeit und Respekt gekürzten Schritt (und: hatte sie es denn eilig, in das Zimmer mit dem bekannten Büffet zu kommen?!), während dieses Weges durch den einbrechenden Spätsommer-Abend fand nun Melzer, wie in einem Rückblick und als bereits vollzogen, seine Lage vollends gewandelt in diesen wenigen Tagen. Was ihn jetzt ganz umschloß, ihn einschloß bis zur integralen Selbstverständlichkeit, das konnte er solchermaßen freilich nicht mehr erkennen:
    Daß er keinen Ausweg suchte nämlich.
    Ein Faustkämpfer etwa kann groß sein im Geben oder im Nehmen.
    Der Major nahm.
    Auch daß seine Liebe jetzt, während dieses kurzen Weg
    stückes bis in die Alserbachstraße, uferlos und hoffnungslos
    alles überschwemmte.
    Sei's.
    Er kam spät zu seinem eigenen Leben. Nun nahm

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