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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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zurückweichenden Lebensquell sich gebückt und so alle Künste der Hölle hätte vertan sein lassen! Dem Major Melzer aber eignete hier und jetzt fast etwas von der Größe, die dem Tantalus versagt geblieben ist oder noch bleibt, denn wer weiß schon so genau, ob jenes Spiel mit Früchten und Wasser nicht auch heutigentags dort noch weitergeht? Die in Frage kommende Verordnung war jedenfalls als eine dauernde anzusehen. Melzer aber schaute an Thea vorbei gegen die vier Obstbäume des Gärtchens. In strichweis interpunktiertes Grüngold, in zunehmenden Blätterschatten. Und war jedenfalls und bedingungslos bereit, das Verfügte (ihm schien es verfügt, nur ihm und jetzt augenblicklich – aber gleichwohl war er zuinnerst überzeugt davon, daß es doch recht und gerecht gefügt sei, und das alles wußte unser Major! Wer zweifelt noch an seinem seit dem 22. August entstandenen Zivilverstand?) – das Verfügte also war er bedingungslos bereit, als endgültig hinzunehmen, als zur Kenntnisnahme und Danachachtung eröffnet (nichts zu machen – man spürt immer diesen Sog vom Amtsrat Zihal her, schon gar, wenn er in nächster Nähe sich befindet). Hinnehmen – aber nicht wie ein geknickter Pflanzenschaft den gleichwohl weiterwehenden Wind, also gewissermaßen nur baumelnd, sondern aufrecht (damit haben's diese Soldaten immer), und auch nicht so, daß man aus süßen Trauben jetzt saure machte (wäre bei der Rokitzer schwer gewesen!) wie damals, als er plötzlich geglaubt hatte, finden zu müssen, daß die Asta Stangeler durch Sekunden dem alten Schmeller ähnlich sehe, während sie die junge Person betrachtete, die mit René Stangeler und Pista Grauermann vom unteren Ende der Strudlhofstiege heraufgekommen war, wo sie dann etwa in der Mitte alle beisammen standen. Und neben René stand Paula.

    Aber soweit waren beide jetzt noch nicht gelangt, weder die Pichler noch der Major Melzer. Dieser, von dem Amtsrate Zihal als kompetent in tabak-anrüchigen Sachen eben vorhin geziemend angesprochen, zeigte – sowohl von seiner a-zihaloiden Natur aus, wie infolge seiner augenblicklich nur mühsam bewahrten Gleichgewichts-Lage – kein Bestreben, den Begriff detaillierter Kompetenzen zu demonstrieren: welche es keineswegs als plan gegeben hätten erscheinen lassen, daß ein Beamter der Tabak-Regie, ein beliebiger, über jeden Vorgang innerhalb dieses verzweigten hierarchischen Gebildes Aufschluß zu geben in der Lage sei – was der Amtsrat Zihal auch durchaus nur aus Höflichkeit mit seiner Frage so hinstellte. Allerdings war ihm ja nicht bekannt, in welcher Dienstverwendung der Major stand (auf welchem Dienstzweige sitzend er das Lied dessen sang, dessen Brot er diesfalls aß). Und es konnte schließlich auch sein, daß der Major wirklich mit den in Frage stehenden Sachen befaßt, oder befaßt gewesen war. Und überdies erschien dem Amtsrat eine solche an den Major gerichtete höfliche Anrufung von dessen Autorität als das beste Mittel, das von ihm selbst angeregte Thema alsbald jenem zuzuspielen, und auf diese Weise endlich einmal etwas Sicheres zu erfahren in bezug auf eine Sache, wegen der er nun schon zweimal interpelliert worden war.
    Dem gegenüber aber blieb das Hauptbestreben Melzers vorläufig noch auf die Bewahrung jener Balance gerichtet, welche ihm durch das Festhalten eines Fleckchens AprikosenOberfläche jetzt am besten ermöglicht schien: es vertrat dies gleichsam die kleine Theresia Pichler – die sich bald von den Erwachsenen weg begeben hatte und hinter den Obstbäumen mit einem sehenswerten Bierwagen spielte, ein Werk des Va ters für die Tochter, ein wirklich schönes Modell, meisterhaft geschnitzte Rößlein und vierundzwanzig kleine Fäßlein, die man abnehmen und anhängen konnte – es vertrat dies gleichsam die kleine Theresia Pichler und ihre Himmelswange. Und die übertragenen Bedeutungen sind in solchen Sachen immer ungefährlicher als die direkten. Sie brennen nicht so sehr auf den Nägeln oder diesfalls eigentlich hinter einem PopelineHemd auf dem Herzen, das sich außerdem noch hinter viele unsichtbare Wände geflüchtet hatte, um dort nicht ganz regelmäßig und gleichsam leicht beschädigt zu klopfen, Wände, welche jedoch unserer resoluten Pichler seit Theas unglückseligem Knix der Hauptsache nach schon bekannt waren. Der Amtsrat Zihal aber hatte sein Thema nicht eigentlich von jener Seite her angeschnitten, welche den Ankauf größerer Posten von ›Rauchsorten‹ durch private Personen

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