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Die Strudlhofstiege

Die Strudlhofstiege

Titel: Die Strudlhofstiege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimito von Doderer
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Staats-Aktion am meisten belustigte, das erwähnte er freilich nicht: nämlich die sachlich-kühle Art in welcher Oki Leucht, sein Wägelchen wendend, sich sogleich wieder vom Schauplatze hinwegbegeben hatte, samt den durch Scheichsbeutel – zum gesetzlichen Preis ohne jegliches Risiko, unter Vermittlung zweier großer Hoteliers – besorgten Materialien für Editha. Scheichsbeutel hatte nur das hörnerne Haupt geschüttelt. Indessen, er pflegte solcherlei Gefälligkeiten ohne jede Gegenfrage zu erledigen und auch ganz ohne Nutzen: dabei glatt, prompt und pünktlich. Leucht indessen hatte es für selbstverständlich gehalten, nicht gleich und ohne weiteres am Tor des Schlingerischen Wohnhauses vorzufahren, sondern in einer Nebengasse zu halten und zunächst das Terrain zu rekognoszieren. Und so sah er denn die beiden Beamten in Zivil – an sich schon, als Typen, für einen Kundigen kaum zu verkennen – in Begleitung eines Uniformierten auf das Haustor zuschreiten (aus welchem die Rokitzer hervorgekommen war, aber das interessierte Herrn Leucht weit weniger). Jener Uniformierte aber war möglicherweise nur ganz zufällig ein Stück mit seinen zivilen Kollegen gegangen, in Edithas Wohnung je denfalls nicht erschienen: und doch hatte seine Figur genügt, um den Oki Leucht noch aufmerksamer zu machen. Scheichsbeutel soll auch im nachhinein lediglich den Kopf geschüttelt und dann die Dinge dahin zurückgeleitet haben, woher sie gekommen waren. Geldverlust hat die dilettierende Schlinger keinen erlitten. Nun kam der Rittmeister auf das Nachspiel.
    Den Beamten hatte hier freilich ein Umstand nicht entgehen können: die auffallenden Mengen gestapelter Briefpost, und zwar in zwei sozusagen ganz verschiedenen AggregatZuständen: auf Mimis Sekretär (die sich von dem dümmsten und kleinsten, einmal empfangenen Briefchen nicht mehr zu trennen vermochte) sorgfältig und wie bibliotheksmäßig geordnet, in Bünden und Reihen alle offenen Fächerchen füllend, ja sogar mit in Abständen hervorstehenden Papierzungen dazwischen, auf denen die Monate des Einganges vermerkt waren (das meiste stammte wohl von Scarlez und Editha); andererseits aber in dem kleinen Schlafzimmer, auf Edithas bequemem Gestell mit Glasplatten neben dem Bette, eine zwar weit weniger umfängliche Kollektion von Postsachen, mit Briefpapierschachteln und Büchern vermischt; die aber durch chaotische Auflockerung auch einen rechten Haufen auszumachen schien. Nachdem die Amtsorgane miteinander sich kurz und leise unterredet hatten, wurde der Frau Schlinger eröffnet, daß man leider pflichtgemäß genötigt sei, die viele Post vorübergehend zwecks Durchsicht mit Beschlag zu belegen. Alle vorhandenen Briefe wurden gezählt. Editha erhielt eine amtliche Quittung, welche sie in den Stand setzte, ihre Briefe wieder abzuholen, so weit und sobald deren Belanglosigkeit für die zu führende Untersuchung festgestellt sei. Damit verschwand der ganze Galimathias in zwei schwärzliche Aktentaschen, zu des Rittmeisters nicht geringem Vergnügen, wie er jetzt unumwunden eingestand.
    Melzer wandte für ein Kurzes nur den Blick zu Mimis kleinem weißem Sekretär hinüber – dessen Fächer jetzt leer dunkelten, aber sie hatten auch gefüllt sehr ordentlich ausgesehen – und alsbald ruhte sein Auge wieder auf Editha, immer aufmerksamer während des letzten Teiles von Eulenfelds Erzählung, ja mit einer schon unverhüllten Aufmerksamkeit gleichsam über Editha aufgehend wie ein zunehmendes Licht, das sie anschien. Dessen Wirkung auf die Schlinger wurde bald übermächtig. Sie sah vor sich auf den Boden wie in gesammelter Anstrengung. Während der Rittmeister nun behaglich erzählte, daß ihm heute auf der Polizeidirektion, wo er vorgesprochen, angedeutet worden sei, Frau Schlinger könne ihre Briefe voraussichtlich bald beheben und die Sache habe wohl weiter nichts auf sich – zudem war am gleichen heutigen Tage eine Notiz durch die Zeitungen gegangen, von der Melzer gar nichts wußte, daß man nämlich die trübe Quelle nun gefaßt habe, aus der die geschmuggelten Zigaretten kämen, und eben dieser Umstand hatte Eulenfeld ermutigt zu seiner Vorsprache – während dieses beruhigenden Nachtrags von des Rittmeisters Bericht also griff Melzer in seine Rocktasche und legte die entwendeten Papiere und Drucksorten vor Editha auf den Teetisch.
    Sogleich nahm deren Antlitz, während sie tief und herabhängenden Hauptes über diese Blätter sich beugte, eine Struktur an, wie man sie

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