Die stumme Bruderschaft
Alter, aber auf dieser Reise, die ihn von Norden nach Süden durch Spanien führte, fühlte er sich wieder jung.
In der Ferne erhob sich die imposante Festung der Templer von Jerez. Als sie dort eintrafen, kümmerte sich ein Knappe um ihre Pferde, während ein anderer sie zum Oberen der Komturei führte.
Beltrán de Santillana erklärte diesem die Situation in Frankreich und übergab ihm ein versiegeltes Dokument von Jacques de Molay. Mit keinem Wort jedoch erwähnte er seine eigentliche Mission.
Einige Tage darauf reisten sie weiter und erreichten schließlich nach Überquerung des Guadiana das portugiesische Castro Marim.
José Sa Beiro, der Ordensobere der Templer von Castro Marim, war ein gebildeter Mann, der Medizin, Astronomie und Mathematik studiert hatte und dank seiner Kenntnis der arabischen Sprache die Klassiker lesen konnte, denn die Araber hatten das Wissen von Aristoteles, Thales von Milet, Archimedes und vielen anderen übersetzt und bewahrt.
Sa Beiro nahm sie herzlich auf. Aber er wollte erst mit ihnen sprechen, wenn sie sich ein wenig erfrischt, gegessen und getrunken und sich in ihren kargen Zimmern eingerichtet hatten.
Beltrán de Santillana betrat das Arbeitszimmer von Sa Beiro, wo durch ein großes Fenster eine Brise vom Fluss hereinwehte. Als er seinen Bericht beendet hatte, bat der Obere ihn, ihm die Reliquie zu zeigen. Santillana breitete sie vor ihm aus und beide waren überwältigt von der Deutlichkeit, mit der man die Gestalt Christi, die Spuren seines Leidens, darauf erkennen konnte.
José Sa Beiro strich sanft über das Tuch, er wusste, welch ein Privileg es war, es berühren zu dürfen. Dann las er den Brief von Jacques de Molay. Als er fertig war, sagte er zu Beltrán de Santillana:
»Ritter, wir werden die Reliquie mit unserem Leben verteidigen. Der Großmeister rät mir, niemandem zu sagen, dass sie sich in unserer Komturei befindet. Wir sollen abwarten, was in Frankreich passiert und welche Auswirkungen das Konzil von Vienne hat. Jacques de Molay befiehlt, sofort einen Ritter als Spion nach Paris zu schicken. Er soll verkleidet sein, sich weder dem Ordenshaus noch einem Tempelritter nähern, sondern nur Augen und Ohren offen halten, und wenn er weiß, was mit dem Orden geschehen wird, sofort zurückkehren. Dann wird entschieden, ob das Grabtuch in Castro Marim bleibt oder an einen anderen sicheren Ort gebracht wird. So machen wir es. Ich werde einen Ritter auswählen, der die Mission erfüllen kann.«
Er hatte das Dorf Troyes hinter sich gelassen. Nur noch ein paar Meilen, dann war er in Lirey.
Geoffroy de Charney war allein in Begleitung seines Knappen unterwegs, und er hatte sich den ganzen Weg über verfolgt gefühlt, bestimmt von Philipps Spionen.
Er trug das Leintuch in seinem Beutel, wie einst sein Onkel François de Charney. Der Templer war bewegt vom Anblick der Felder seiner Kindheit und brannte darauf, seinen älteren Bruder in die Arme schließen zu können.
Das Wiedersehen mit der Familie war aufwühlend. Sein Bruder Paul empfing ihn herzlich und voller Respekt. Sein Vater, dem Tod näher als dem Leben, hatte den Templerorden immer bewundert und ihn unterstützt, wann immer man ihn darum gebeten hatte. Die Familie war stolz, dass zwei der ihren, François und Geoffroy, das Gelübde abgelegt hatten, und sie hatten dem Orden ewige Treue geschworen.
Ein paar Tage konnte Geoffroy bei seiner Familie zur Ruhe kommen. Er spielte mit seinem Neffen, der seinen Namen trug und eines Tages den Familiensitz erben würde. Er war mutig und aufmerksam, folgte seinem Onkel auf Schritt und Tritt und wollte unbedingt kämpfen lernen.
»Wenn ich groß bin, werde ich Tempelritter«, sagte er.
Und Geoffroy schnürte es die Kehle zu, wenn er daran dachte, dass der Tempelorden keine Zukunft hatte.
Am Tag seiner Abreise verabschiedete sich der kleine Geoffroy unter Tränen von seinem Onkel. Er hatte ihn gebeten, ihn mitzunehmen, um im Heiligen Land zu kämpfen. Er hatte sich durch nichts trösten lassen. Der unschuldige kleine Mann wusste nicht, dass sein Onkel die schlimmste aller Schlachten gegen einen Mann kämpfen musste, dem jede Vorstellung von Ehre fremd war. Der Feind hieß König Philipp von Frankreich.
Der Großmeister betete in seinem Zimmer, als ein Diener ihm de Charneys Rückkehr ankündigte. Er ging sofort zu ihm.
Jacques de Molay berichtete seinem Freund von den letzten Neuigkeiten. Der König bezichtigte die Templer des Heidentums und der Sodomie, in
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