Die stumme Bruderschaft
Giuseppe sarkastisch.
»Na, du und ich schon, Sofia nicht und Antonino und Minerva auch nicht.«
»Du hast doch nicht vor, sie den Stummen verfolgen zu lassen?«
»Hier wird jeder alles machen, klar?«
»Klar, Chef, klar. Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich mit einem Freund von den Carabinieri essen gehen, ein prima Kerl, der mit uns zusammenarbeiten will. Er wird in einer halben Stunde hier sein. Vielleicht könnten wir etwas zusammen trinken, bevor wir losziehen.«
»Von mir aus, einverstanden«, sagte Sofia.
»Okay«, antwortete Marco, »ich dusche, und dann komme ich herunter. Und was hast du später vor, Dottoressa?«
»Nichts, wenn du willst, können wir zusammen essen gehen.«
»Ich lade dich ein, mal sehen, ob das meine Laune verbessert.«
»Nein, ich lade dich ein.«
»Einverstanden.«
Sofia hatte nichts Passendes für einen Empfang dabei, und so suchte sie in der Nähe der Via Roma ein Armani-Geschäft und kaufte dort ein Kostüm und eine Krawatte für Marco.
Armani gefiel ihr wegen der Schlichtheit, wegen des informellen Touchs seiner Kostüme.
»Du wirst die Schönste sein«, versicherte ihr Giuseppe.
»Keine Frage«, bestätigte Marco.
»Ich werde mit euch beiden einen Fan-Club aufmachen«, sagte Sofia lachend.
Pater Yves empfing sie an der Tür. Er trug kein Priestergewand, nicht einmal einen Kragen, sondern einen dunkelblauen Anzug und genau die gleiche Armani-Krawatte, die Sofia Marco geschenkt hatte.
»Dottoressa … Signor Valoni … Treten Sie ein, Hochwürden wird sich freuen, Sie zu sehen.«
Marco sah irritiert auf Pater Yves’ Krawatte, und dieser lächelte.
»Sie haben einen guten Geschmack bei Krawatten, Signor Valoni.«
»Nun, eigentlich die Dottoressa, denn sie hat sie mir geschenkt.«
»Das dachte ich mir!«, rief Pater Yves lachend aus.
Sie gingen auf den Kardinal zu, und dieser stellte ihnen Monsignore Aubry vor, einen großen, dünnen, eleganten Franzosen mit gutmütigem Gesicht. Er war um die fünfzig, und man sah ihm an, dass er ein erfahrener Diplomat war. Er interessierte sich sofort für den Verlauf der Ermittlungen über das Grabtuch.
Sie sprachen wenige Minuten mit ihm, da merkten sie, dass alle Blicke zur Eingangstür gingen.
Hochwürden Kardinal Visier und Umberto D’Alaqua waren gekommen. Der Kardinal von Turin und Monsignore Aubry entschuldigten sich und begrüßten die Neuankömmlinge.
Sofias Herz schlug schneller. Sie hatte nicht im Traum daran gedacht, D’Alaqua wieder zu treffen, vor allem nicht hier. Ob er sie wieder kühl und höflich übergehen würde?
»Dottoressa, du bist ja ganz rot im Gesicht.«
»Ich? Nun, ich bin gerade etwas überrascht.«
»Es war doch mehr als wahrscheinlich, dass D’Alaqua hier auftauchen würde.«
»Ich hatte es nicht erwartet.«
»Er ist einer der Wohltäter der Kirche, ein Mann des Vertrauens. Ein Teil der Finanzen des Vatikan geht diskret durch seine Hände. Außerdem bezahlt er, laut Minerva, dieses wissenschaftliche Komitee.«
»Ja, du hast Recht, aber ich habe einfach nicht daran gedacht, dass er mir hier über den Weg laufen würde.«
»Ganz ruhig, du siehst toll aus, und wenn D’Alaqua auf Frauen steht, dann muss er bei dir kapitulieren.«
»Du weißt, dass es in seinem Leben keine Frau gegeben hat. Das ist schon merkwürdig.«
»Nun, er hat eben auf dich gewartet.«
Sie sprachen nicht weiter, weil Pater Yves mit dem Bürgermeister und zwei älteren Herren auf sie zukam.
»Ich möchte Ihnen Dottoressa Galloni und Signor Valoni vorstellen, den Leiter des Dezernats für Kunstdelikte. Der Bürgermeister, Dottor Bolard und Dottor Castiglia …«
Ein lebhaftes Gespräch über das Grabtuch begann, an dem Sofia sich kaum beteiligte.
Sie erschrak, als plötzlich Umberto D’Alaqua in Begleitung von Kardinal Visier vor ihr stand. Nach der üblichen Begrüßungszeremonie hakte D’Alaqua sich bei ihr ein und zog sie zu aller Erstaunen von der Gruppe weg.
»Wie laufen die Ermittlungen?«
»Ich kann nicht behaupten, dass wir weit gekommen sind. Es ist eine Frage der Zeit.«
»Ich hatte nicht erwartet, Sie heute hier zu treffen.«
»Der Kardinal hat uns eingeladen. Er wusste, dass wir das wissenschaftliche Komitee kennen lernen wollten, und ich hoffe, wir werden die Mitglieder noch sehen, bevor sie wieder abreisen …«
»Dann sind Sie also wegen dieses Empfangs nach Turin gekommen …«
»Nein, nicht ganz.«
»Ich freue mich jedenfalls, Sie zu sehen. Wie lange werden Sie noch
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