Die stumme Bruderschaft
bleiben?«
»Ein paar Tage, vielleicht vier oder fünf, vielleicht aber auch länger.«
»Sofia!«
Eine schrille Stimme unterbrach den intimen Augenblick mit D’Alaqua. Sofia musste lachen, als sie feststellte, dass sie ihrem früherer Professor für mittelalterliche Kunst gehörte, einem Stern am akademischen Himmel Europas.
»Meine beste Schülerin! Was für eine Freude, Sie zu sehen. Was ist aus Ihnen geworden?«
»Professor Bonomi! Ich freue mich auch, Sie zu sehen.«
»Umberto, ich wusste nicht, dass du Sofia kennst, aber es wundert mich nicht, schließlich ist sie eine der besten Kunstexpertinnen von Italien. Schade, dass sie keine akademische Laufbahn einschlagen wollte. Ich habe ihr angeboten, meine Assistentin zu werden, aber all mein Bitten war vergebens.«
»Ich bitte Sie, Professor!«
»Doch, doch, ich habe nie einen so intelligenten und fähigen Studenten gehabt wie Sie, Sofia.«
»Ja«, warf D’Alaqua ein, »ich weiß, Dottoressa Galloni ist sehr kompetent.«
»Brillant, Umberto, sie hat einen wachen Geist. Verzeihen Sie meine Indiskretion, aber was tun Sie hier, Sofia?«
Sofia fühlte sich unwohl. Sie hatte keine Lust, ihrem ehemaligen Professor Erklärungen zu geben, aber ihr blieb nichts anderes übrig.
»Ich arbeite am Dezernat für Kunstdelikte und bin vorübergehend in Turin.«
»Ah! Das Dezernat für Kunstdelikte. Ich hätte nie gedacht, dass Sie als Ermittlerin enden würden.«
»Meine Arbeit ist eher wissenschaftlicher Natur, ich ermittle nicht im engeren Sinne.«
»Kommen Sie, Sofia, ich werde Ihnen einige Kollegen vorstellen, es wird Ihnen gefallen.«
D’Alaqua hielt sie am Arm fest und verhinderte, dass Professor Bonomi sie entführte.
»Verzeih, Guido, aber ich wollte Sofia gerade Hochwürden vorstellen.«
»Wenn das so ist … Umberto, kommst du morgen zu der Aufführung von Pavarotti und zu dem Abendessen, das ich zu Ehren von Kardinal Visier gebe?«
»Ja, natürlich.«
»Warum bringst du nicht Sofia mit? Ich hätte sie gerne dabei, meine Kleine, sofern sie nichts anderes vorhat.«
»Also ich …«
»Es wäre mir eine Freude, die Dottoressa zu begleiten, wenn sie wirklich nichts anderes vorhat. Und jetzt entschuldige uns bitte, der Kardinal wartet … Wir sehen uns.«
D’Alaqua ging mit Sofia zu der Gruppe um Kardinal Visier. Er schaute sie neugierig an, als würde er sie taxieren. Er war freundlich, aber kalt wie eine Hundeschnauze. Er schien eine enge Beziehung zu D’Alaqua zu haben, sie gingen familiär miteinander um, als würde ein subtiler Faden sie verbinden.
Eine Weile sprachen sie über Kunst, dann über Politik und zum Schluss über das Grabtuch.
Marco beobachtete, wie Sofia sich ganz natürlich in das erlesene Grüppchen integrierte. Sogar der steife Kardinal lachte über ihre Kommentare und hörte sich interessiert ihre Ansichten an.
Er dachte, Sofia war nicht nur intelligent, sie war auch bildhübsch und niemand konnte sich ihrem Charme entziehen, auch der kultivierte Kardinal nicht.
Es war neun vorbei, als die ersten Gäste sich verabschiedeten. D’Alaqua ging in Begleitung von Aubry, den beiden Kardinälen, Dottor Bolard und zwei anderen Wissenschaftlern. Bevor er ging, hielt er Ausschau nach Sofia, die sich gerade mit Marco und ihrem ehemaligen Professor unterhielt.
»Gute Nacht, Dottoressa, Guido, Signor Valoni …«
»Wo isst du zu Abend, Umberto?«, fragte Guido Bonomi.
»Im Haus von Hochwürden, dem Kardinal von Turin.«
»Gut, dann hoffe ich, dich morgen in Begleitung der Dottoressa zu sehen.«
Sofia spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
»Natürlich. Ich werde Sie anrufen, Dottoressa Galloni. Bis morgen.«
Sofia und Marco verabschiedeten sich von dem Kardinal und Pater Yves.
»Hat es Ihnen gefallen?«, fragte der Kardinal.
»Ja, vielen Dank, Hochwürden«, antwortete Marco.
»Haben Sie ein Treffen mit unserem wissenschaftlichen Komitee vereinbart?«
»Ja, Dottor Bolard wird uns morgen empfangen«, antwortete Marco.
»Yves, warum laden Sie Signor Valoni und die Dottoressa nicht zum Abendessen ein?«
»Gern. Warten Sie eine Sekunde, ich reserviere in der Vecchia Lanterna. Ist Ihnen das recht?«
»Machen Sie sich keine Umstände, Pater …«
»Das macht überhaupt keine Umstände, Signor Valoni, es sei denn, Sie wollen wegen der Krawatte nicht mit mir essen …«
Kurz nach zwölf setzte Pater Yves sie am Eingang vom Hotel ab. Der Abend war ausgesprochen angenehm gewesen. Sie hatten gelacht, über Gott und die
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