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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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mit Baskow soeben erlebt hatte, einfach vergaß und verdrängte. Für meinen schlichten Sinn war es in jenen Stunden einfach zuviel verlangt, die handfeste Nahsicht auf kommende Taten und Ereignisse gegen die abgeklärte Weitsicht des Pro- blemators auf philosophische Perspektiven und Konsequenzen zu vertauschen. So war mir denn bald nur noch so, als hätte ich bloß rasch mal einen erschauern machenden Blick durch ein blitzschnell wieder zugeworfenes Fenster auf die atemlosen, eis- klirrenden Abgründe der Unendlichkeit werfen dürfen. Die Sonne hatte mich wieder, die Spica leuchtete warm und golden am Himmel, und ich hörte Leutnant Kraneis fluchen wie immer. Ich mußte mit zupacken, wie alle anderen auch, und das war gut so, glaube ich, wirklich und wahrhaftig.
    Was war aber auch los hier unten, Himmel noch mal! Die neue Station stand, aber der Wall um sie herum war bereits über zwei Meter hoch und neigte sich in seinem oberen Drittel bereits stark nach innen. Sie mußten mit ausziehbaren Leicht metalleitern darüberklettern, wenn sie heraus oder hinein woll ten. Ein paar Mastwinden hatten sie ebenfalls installiert, um schwereres Gerät darüberhieven zu können. Es war absurd und lächerlich. Das Verrückteste aber war, daß die Fahrzeuge außerhalb der Station im Gelände herumhoppeln mußten wie die Hasen im Kleefeld. Standen sie auch nur zehn Minuten unbewegt auf einem Fleck, schossen die glasigen Mauern um sie herum aus dem Boden wie Pilze nach einem warmen Regen.
    Die entscheidende Beobachtung machte schließlich ein ge weckter Bursche aus Kraneis’ Truppe. Ich half an dem einen Titan mit, Nahrungskonzentrate und zusätzliche Medikamente zu verstauen. Das Reglement schrieb vor, daß die schweren Panzerfahrzeuge als autonome Einheiten zu betrachten seien, auch dann, wenn sie im Verband operierten, und das bedeu tete unter anderem, daß so ein Wagen wie der Titan in bezug auf die Ernährung und die medizinische Versorgung seiner Be satzung für mindestens vierzehn Tage völlig unabhängig von äußerer Unterstützung zu sein hatte. Wir hatten beschlossen, ein übriges zu tun und diese Vierzehn-Tage-Vorschrift auf den doppelten Zeitraum auszudehnen. So mußte eben geladen werden, geladen und nochmals geladen.
    Während ich die nicht allzu schweren, strahlungssicheren Be hälter zur Heckluke emporstemmte, sah ich Kraneis in der rech ten Bugluke sitzen und mit einem Gerät, das an die hoch empfindlichen Sensorenschreiber der modernen Elektrochirurgie erinnerte, irgendein Steuerprogramm des Panzerwagens durchkontrollieren. Es war sein Kommandofahrzeug, und es war ver ständlich, daß er hier auch die geringste Kleinigkeit selbst über prüfen wollte. Er knurrte, schimpfte und schwitzte, hatte Öl- und Staubspuren in seinem hageren und kantigen Gesicht, und das Dosimeter, das wir alle seit ein paar Stunden zu tragen genötigt waren, genauer: seit die Vorbereitungen zu unserer Expedition in die Berge angelaufen waren, baumelte ihm mit seinem friedlichen, Gefahrlosigkeit verheißenden grünen Glimm licht vor der haarigen, nackten Brust. Da trat dann der Mann heran und sagte etwas nölig: „Ein Wort gestattet, Leutnant?“
    „Schieß los, Bunger“, sagte Kraneis, drückte gleichzeitig eine winzige Taste an seinem Gerät und lauschte befriedigt dem im selben Moment aufklingenden sanften Fiepen.
    „Das ist nun so mit den Wällen“, sagte der Mann. „Wenn man abhaut, ist Ruhe damit.“
    „Was?“ fragte Kraneis und hatte schon einen anderen Knopf beim Wickel.
    „Das hört auf, wenn man geht“, sagte der Mann wieder. „Ich meine, das wächst bloß, wenn Leute im Fahrzeug sind oder dran zu tun haben. So ist das, Leutnant, genau so.“
    Ich schaute interessiert hoch. Wir hatten die Regelung getroffen, daß alle zehn Minuten die Motoren angelassen wurden und die Fahrzeuge über die innerhalb dieses Zeitraumes nicht allzu hoch gewachsenen Wälle hinwegrollten, um dann für wei tere zehn Minuten Ruhe zu haben. Es war gerade mal wieder soweit. Auch in unserem Titan war das sanfte Surren der Ma schine aufgeklungen, und alle übrigen Wagen, soweit ich sie zu überblicken vermochte, setzten sich wie auf den Schlag einer unsichtbaren und unhörbaren Uhr hin gleichzeitig in Bewegung, rollten sieben, acht Meter vor und standen wieder still. Nur ein Astrachan bewegte sich nicht vom Fleck. Und das Erstaunliche war: Auch nicht die Spur einer Erhebung war rings um ihn zu sehen. Der Leutnant hatte es ebenfalls sofort bemerkt.

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