Die stummen Götter
hatten. Er hing ebenfalls hoch droben an einer Felswand und schien zu uns herüberzu blicken wie das harte Auge eines lauernden Reptils.
„Den kauf ich mir!“ rief Kraneis atemlos, als auch er sich den Zylinder betrachtet hatte.
„Das wirst du bleiben lassen“, erwiderte der Problemator ernst. „Es sei denn, der Commodore befiehlt es, oder die Schlieren treten zum Generalangriff an.“
Wir verweilten lange dort oben, und wir blieben auch nicht allein. Castor schickte tatsächlich einen Arzt herunter – Sten Guggenthal war es, der stellvertretende Chefarzt der ALGOL –, und die gesamte Einschlagstelle, einschließlich der Felsplatte, auf der der Leichnam gelegen hatte, wurde so gründlich um und um gewühlt, daß auch nicht ein Sandkorn unbeachtet blieb. Dennoch konnten wir keine weiteren Erkenntnisse gewinnen. Der Tote selbst wurde mit Hilfe der im Hauptlazarett der ALGOL geführten physiologischen Kartei und anhand eines kleinen Leberfleckes, den er auf dem Unterbauch trug, als einer der Maaten unseres zweiten Multi-Roovers identifiziert. Er hieß Björn Keselgaard und war Bordtechniker gewesen. An Bord der ALGOL kehrte er aber schließlich dennoch nicht zurück. Der Mediziner stellte fest, daß die Gewebszersetzung schon zu weit fortgeschritten war und der Körper in der Un terkühlungsanlage unseres Schiffes nur zu einem formlosen Etwas auseinanderfrieren würde. So wurde Keselgaard endlich unten auf der Ebene bestattet, und er erhielt einen kleinen Ge denkstein mit seinem Namen, den Lebensdaten und der Ur sache seines Todes. „Bei der Erforschung des Planeten Tantalus tödlich verunglückt“, hieß es da. „Er war ein tapferer Mann. Wir werden seiner immer gedenken. Die Besatzung des Raum kreuzers ALGOL.“
Über diesen, wie mir schien, ein wenig zu diplomatischen Grabspruch mußte ich später noch lange nachdenken. Der Platz da unten jedoch trug für uns fortan den Namen „Der Friedhof“. Es war ja auch immerhin der erste wirkliche Tote unserer Ex pedition, der erste, von dem wir tatsächlich genau wußten, daß er tot war.
Ich glaube, ich war mit Bergander zusammen der letzte, der oben auf der Felsplatte blieb. Irgend etwas hielt mich an die sem Ort fest, erfüllte mich mit Trauer und Gram und einem mir bis dahin unbekannten Schmerz. Da war mir der unbe schwerte, elastische und alles rasch verwindende Bergander ge rade der richtige Gefährte. Er hielt stundenlang Ausschau in die Richtung hin, aus der wir gekommen waren. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, auch noch den anderen der notwen digerweise von hier aus einzusehenden Metallzylinder aufzu finden. „Wenn es eine Richtfunkstrecke war“, sagte er, „meinetwegen auch eine Relaiskette, dann müssen sie auch optisch mit einander in Verbindung zu bringen sein.“ Er fand ihn schließ lich wirklich, diesen dritten Zylinder, doch ich denke, er war der einzige, der an dieser Entdeckung seine Freude hatte.
Wir verlegten dann unser Lager noch einmal ein Stück die Ebene hinauf, näher hin zu dem von Baskow ausgemachten Tantaliden-Zylinder, und Nordin erhielt noch ein letztes Mal Gelegenheit, mit seinen Tieren die Schlieren erneut hervorzu- locken und so vielleicht doch noch etwas über ihre Natur zu erfahren. Sogar eines der wenigen lebenden Schweine, die wir an Bord der ALGOL mitführten, war der Quartiermeister be reit zur Verfügung zu stellen. Doch alles blieb vergebens. Die Schlieren zeigten sich nicht, und wir sollten sie auch niemals wiedersehen. Es war, als hätten die stummen Götter, denen wir auf der Spur waren, sich endgültig von uns abgewandt und sie würden nun die Annahme jeden Opfers verweigern, in welcher Gestalt wir es ihnen auch darbieten mochten.
Die letzte Nacht vor dem Weitermarsch war sehr ruhig, fast mild sogar, fand uns aber alle in gedrückter Stimmung.
Am Morgen dann waren die Würfel endgültig gefallen. Wi der Erwarten und unter dem Stirnrunzeln Baskows erteilte der Commodore den Befehl, jeden dieser Zylinder und so viele wir auch noch auffinden mochten unter Beschuß zu nehmen. Castor wollte vermutlich kein Risiko mehr eingehen, auch nicht das geringste, und das einzige Motiv, das ihn noch bewegte, war wohl das, Gewißheit zu erlangen über das Schicksal unserer Verschollenen. Der Entschluß mochte ihm gewiß nicht leichtge fallen sein; ich sah es seinem Gesicht an, das uns übernächtigt, gealtert und fast zerquält vom Videoschirm her anschaute.
So gingen denn nicht nur die von dem Problemator und Bergander
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