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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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Hölle selber losgelassen mit all ihren Urlauten. Im Nu deckte der emporschießende Dampf Berge, Himmel, die dahinfahrenden Blitze in den Wolken und Nordins Leichnam mit einem grauen Tuch des Erbarmens zu. Es wurde stockdunkel draußen, und auch die Sprechfunkver bindung von Fahrzeug zu Fahrzeug brach zusammen.
    Ich hätte schreien mögen, als ich nachher Gossel mit beinahe normaler Stimme sagten hörte: „Nun wissen wir also, woher der viele Sand hier kommt. Mit einer normalen Erosion wäre das auch nicht zu erklären gewesen. Aber diese Knallhitze, und dann das Wasser darauf – das hält der festeste Granit nicht aus.“ Keiner entgegnete etwas darauf, auch niemand von der Mannschaft.
    Bei etwa zweihundertfünfzig Röntgen im Feld stabilisierten sich schließlich die Werte. Da war nun endlich das Geheimnis von Tantalus gelüftet. Dieser so paradiesisch scheinende Pla net verwandelte sich von Zeit zu Zeit in eine Hölle. Spica tat das mit ihm. Diese verfluchte Sonne Spica! Und niemand und nichts, kein Meßwert und keine Strahlungsberechnung hatten uns das vorhersagen können. Oder vielleicht doch? Wie war das mit dem Mann, der nun so stumm und verbrannt und reglos dort draußen lag, irgendwo hinter den ziehenden Dampf-schwaden verborgen? Wie war das auch mit uns selbst? Mit unserer Vernunft? Mit unseren Ahnungen? War dieses In ferno um uns wirklich so unvorstellbar, daß unsere Phantasie nicht ausreichen konnte, es wenigstens als möglich mit in die Rechnung zu stellen, die wir diesem Planeten Tantalus aufzumachen gewillt waren?
    Ein kleines, mir trotz all des Gedröhnes draußen fast über laut erscheinendes Prasseln brachte mich wieder zu mir selbst. Ich hatte meinen Griff so fest angespannt, daß die Kunststoff- Verkleidung meines Diktiergerätes zerborsten war. Ein Splitter war mir ins Fleisch gedrungen, und dunkles, träge tropfendes Blut drang hervor.
    „Dreck, verdammter!“ schrie ich voller Erbitterung und Zorn und Schmerz. „Alles Unsinn! Parthus, lassen Sie uns hier ver schwinden! Was gehen uns die Tantaliden an! Machen Sie Schluß mit allem! Fort, nur fort! Ich halte das nicht mehr aus! Nordin! So ein Mensch! Es ist zum Rasendwerden! Der Preis ist zu hoch! Viel zu hoch! Und das von Anfang an!“
    Doch das ging vorüber, wie alles vorübergeht. Zwei Stunden später bereits strahlte der Himmel wieder im dunkelsten Blau, die Sterne funkelten, und Spica ritt auf einem Gebirgszug in unserem Rücken und schickte sich an, endgültig für eine neue Nacht hinunterzusteigen. Im Glanz ihrer letzten Strahlen hol ten wir unseren toten Bioniker ein. Hägerups Titan brannte dort, wo er gestoppt worden war, eine tiefe Grube aus dem Fels, und so erhielt unser Gefährte wenigstens ein würdiges und dauerhaftes Grab. Wohl stieg immer noch Dampf von den Bergflanken auf, doch das war nur noch wie zarter, lichter Nebel, den der hurtige Wind davontrug und in die Schluchten hinunterblies: Vergessen! Vergessen!
    Die Strahlung von Spica her war erloschen, das Gestein war nur noch handwarm, und die Röntgenwerte waren auf ein Maß abgesunken, das uns nichts mehr anhaben konnte.
    „Lediglich sekundäre Reststrahlung“, meinte Plecha dazu.
    Und so hatten wir denn am Ende dieses Tages einen zweiten Grabstein auf Tantalus gesetzt, und ich möchte schwören, daß es keinen unter uns gab, der nicht wünschte, diesen Planeten niemals betreten zu haben. Eine lange, zermürbende Nacht lag vor uns, angefüllt mit Beratungen, der wissenschaftlichen Aus wertung der physikalischen Werte – trotz alledem! – und vor allem von düsteren Vorahnungen und Zweifeln.
    „Dennoch“, sagte Castor vom Videoschirm her, als wir alle wieder im Astrachan versammelt waren, „dennoch müssen wir weitermachen, weil alle Opfer sonst umsonst gewesen wären. Ich kann nicht umkehren mit siebenundeinhalb ver schwundenen Leuten in der Bemannungsliste. Das wißt ihr so gut wie ich.“
    „Ich glaube nicht, daß sie noch leben“, sagte Parthus.
    „Wer?“ fragte Baskow.
    „Die Tantaliden und unsere Männer!“ Des Zweiten Navigators Meinung war endgültig, das sah ich.
    Nein, daß die Tantaliden sich hier nicht mehr aufhielten, das war nun auch mir klar. Ahnungsvoll begann ich zu begreifen, wovon der Problemator gesprochen hatte, als wir gemeinsam im Steiggleiter zu Tantalus hinuntergeflogen waren. Hier lebten sie nicht mehr. Nicht in dieser Hölle. Es sei denn, sie hätten sich wirklich tief im Schoße des Planeten vergraben und alle Hoffnung für sich,

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