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Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Varros Freund, machte seinem Ärger durch ein Kopfschütteln Luft. »Beim Stab des Asklepios – wie kann man nur so unvernünftig sein!«
    Â»Wieso? Mir geht’s doch blendend.«
    Â»Noch so eine Bemerkung, und du Möchtegern-Tacitus kriegst es mit mir zu tun!«, fuhr der ehemalige Militärarzt, mit dem Varro einen Großteil seiner Dienstzeit verbracht hatte, seinen Patienten an und bestrich dessen Oberschenkel mit Salbe, einer Mischung aus Heilkräutern, Tierfett und Sesamöl. »Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?«
    Â»Nichts«, räumte Varro ein, in der Hauptsache, um Ärger aus dem Weg zu gehen. Probus war nicht gerade bester Laune, was angesichts der Hitze, unter der die Stadt ächzte, auch kein Wunder war. »Beziehungsweise nicht viel.«
    Â»Typisch Gaius, immer mit dem Kopf durch die Wand.«
    Â»Das sagt gerade der Rich … Au! Nicht so fest, du Viehdoktor!«
    Â»Auch noch wehleidig, so haben wir’s gern.« Am Ende seiner Behandlung tauchte Probus, drei Jahre älter, aber fast zwei Köpfe kleiner als Varro, die Hände in die bereitstehende Wasserschüssel und trocknete sie mit einem Leinentuch ab. »Wie pflegt mein Freund, von Beruf Hinterhofadvokat, doch zu sagen: ›Jeder kriegt, was er verdient.‹« Die Hände auf den Knien, nahm der Medicus, auf den nicht nur Varro große Stücke hielt, den Gefährten gemeinsam gemeisterter Gefahren mit strenger Miene ins Visier. Die Pose, an der er sich versuchte, war freilich nicht von Dauer. Valerius Probus war ein fröhlicher, dem Wein, ausgiebigen Tafelfreuden und der Geselligkeit zugeneigter Mensch und somit das exakte Gegenteil seines Freundes, der erst dann richtig aufblühte, wenn er sich in seinem Studierzimmer aufhielt. Sein Lachen, welches durch Mark und Bein ging, wirkte ansteckend, und das gleiche galt für die Art, wie er die Widrigkeiten des Lebens meisterte. Von Natur aus Optimist, kam das Wort ›aussichtslos‹ in seinem Wortschatz nicht vor, was Varro, der die Dinge eher nüchtern betrachtete, durchaus zu schätzen wusste. Weniger begeistert war er hingegen über seinen Hang zum Alkohol, auf den Probus, wie sein Patient mit Sorge registrierte, auch heute nicht verzichtet hatte.
    Der Medicus trank entschieden zu viel, und das sah man ihm auch an. Ohnehin kein Adonis, wies die Knollennase, welche dem Arzt mit dem Bacchantengesicht ein unverwechselbares Aussehen verlieh, eine tiefrote Färbung auf, und Varro fragte sich, ob es nicht an der Zeit war, ein ernstes Wort mit ihm zu reden. Doch dann, wie aus heiterem Himmel, war da wieder dieses Lachen, und er beschloss, seine Moralpredigt auf unbestimmte Zeit zu verschieben. »Ist was – oder warum guckst du so belämmert aus der Wäsche?«
    Â»Nichts, was soll denn sein?«
    Â»Komm schon, Gaius, mir kannst du nichts vormachen«, forderte ihn der Medicus auf, dessen Tunika mit dem Lebenswandel des Arztes perfekt harmonierte. Probus, schmuddelig, unrasiert und konsequenterweise auch ungekämmt, scherte sich jedoch nicht darum. »Oder hast du seit Neuestem Geheimnisse vor mir?«
    Â»Red keinen Unsinn, Probus.«
    Â»Einverstanden – und jetzt raus mit der Sprache!«
    Â»Na schön, wenn du meinst.« In Gedanken bei dem Drohbrief, der ihm auf dem Forum zugesteckt worden war, ließ Varro den Saum seiner Toga über die Knie fallen, räusperte sich und warf einen Blick in die Runde. Niemand, so schien es, befand sich in Hörweite, und keiner der Müßiggänger, welche die Palästra bevölkerten, schien Probus oder ihn zu beachten.
    Varro runzelte die Stirn. Hier, im Vorhof der größten Thermenanlage Galliens, herrschte in der Tat reger Betrieb. Dennoch oder gerade deswegen musste alles seine Ordnung haben. Die Vormittage, das heißt die Zeit von Sonnenaufgang bis zur sechsten Stunde, waren den Frauen vorbehalten, Nachmittage und Abendstunden den Männern. Die Thermen, so weiträumig sie auch sein mochten, waren jedoch nicht nur zum Baden da. Außer Probus, der seine Patienten verarztete, gab es mindestens ein halbes Dutzend Ärzte, die ihre Dienste anboten, wie gründlich sie diese verrichteten, hing von der Zahlungsfähigkeit der Kranken ab. Für Geld konnte man hier nämlich alles kaufen, angefangen bei Speisen und Getränken, über Salböl, Schminke und diverse Tinkturen, bis hin zu der Kunstfertigkeit

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