Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
zynische Frauenstimme.
Die Stimme kannte ich. Ich legte ein gekünsteltes Lächeln in meine Stimme. »Detective Hardin. Hallo!«
Detective Jessi Hardin hatte es mit einer Flut von Werwolfmorden zu tun gehabt, die sich vor meinem Weggang aus Denver ereignet hatten. Das Ungewöhnliche an ihr war, dass sie mir geglaubt hatte, dass ein Werwolf in die Sache verwickelt war, noch bevor die Existenz von Werwölfen offiziell anerkannt worden war. Sie war ihrer Zeit voraus. Eigentlich mochte ich sie, doch sie rief mich immer an und stellte mir schwierige Fragen. Ich war ihre Anlaufstelle in Fällen, die mit dem Übernatürlichen zu tun hatten.
»Eine Frage: Sind Sie auf dem Laufenden, was hier in Denver passiert?«
Sie wusste nicht, dass ich zurück war. Sie hatte mich auf dem Handy angerufen; ich konnte sonstwo sein. Es fühlte sich wie ein winziger Sieg an. Mich unauffällig zu verhalten schien zu funktionieren. Wenn mir nun nur nicht herausrutschte, dass ich hier in Denver war! Sonst würde sie anfangen, mich persönlich aufzusuchen und mir Leichen von Menschen zu zeigen, die auf grausige Weise ums Leben gekommen waren.
Ricks Zeitungsausschnitt fiel mir wieder ein. »Ich habe von den Vampirüberfällen in Nachtklubs gehört. Sind Sie mit den Ermittlungen beauftragt?«
»Nur am Rande. Die Angreifer sind Vampire gewesen, und wir haben Beschreibungen. Wir überwachen die wahrscheinlichsten Klubs und versuchen, den Vampiren ein Pfahl im Fleisch zu sein - wenn man so sagen darf. Aber man hat mir ein anderes Problem übertragen.«
»Ach?«
»Man hat mich eben zur Chefin der Abteilung für das Übernatürliche, der Paranatural Unit, des Denver PD ernannt.« Ihre Stimme war sarkastisch, als handelte es sich um einen einzigen großen Witz. »Ich soll das Polizeihandbuch zu diesem Zeug schreiben.«
»Großartig. Gratuliere! Oder etwa nicht? Dann sagen Sie mir mal, was macht die Polizei, wenn sie einen Werwolf in einer Vollmondnacht einsperren muss?«
»Die Gitterstäbe mit Silber bestreichen.«
Verdammt, sie war gut. »Und wie steht es mit einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe für Vampire?«
»Das haben wir noch nicht ganz ausgearbeitet. Ich plädiere dafür, dem Vampir eine Zelle mit schöner Südsonne zu geben.«
Und das war die Frau, die das Polizeihandbuch zum Umgang mit dem Übernatürlichen verfasste? »Detective, ich möchte natürlich nicht bestreiten, dass das erfreuliche Neuigkeiten sind, aber brauchen Sie etwas von mir?«
»Sie lassen sich nicht zum Narren halten.«
»Das haben mir meine animalischen Instinkte verraten.«
Sie kicherte tatsächlich. »Na, schön. Dieser ganze Mythos über Vampire und Spiegel. Dass sie kein Spiegelbild haben. Wie viel davon stimmt, und wie viel ist Unsinn?«
Ich zuckte mit den Schultern, obwohl sie es nicht sehen konnte. Meine Unsicherheit war mir anzuhören. »Ich weiß es nicht. Mir hat sich bisher nicht wirklich eine Gelegenheit geboten, es auszuprobieren.«
Eigentlich sollte ich es wissen. Ich hätte aufmerksamer sein sollen. Mir waren schon etliche Vampire begegnet, doch im Moment konnte ich mich an keine relevanten Einzelheiten erinnern, wie beispielsweise ein Spiegelbild in einer Glastür oder ein verzerrtes Abbild auf einem feinen Porzellangegenstand. Zweifellos waren Vampire seltsam, außerdem auf eine Art und Weise mächtig, die sie niemandem offen zeigten. Waren mir ihre reflektierenden Eigenschaften einfach entgangen, oder hatten Vampire etwas an sich, das das Auge des Betrachters, seine Aufmerksamkeit ablenkte?
»Warum fragen Sie?«, wollte ich wissen.
»Mir stellen sich einige Fragen: Wenn sie wirklich nicht
in Spiegeln erscheinen, kann man sie dann überhaupt auf Film festhalten? Ist da etwas an der Art, wie sie Licht reflektieren oder es krümmen, das dafür sorgt, dass sie kein Spiegelbild haben, dass aber auch ihr Erscheinen auf Film beeinträchtigt?«
»Ich weiß es nicht. Aber ich könnte mich mal für Sie umhören.«
»Das wäre toll. Mir liegen von einem Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft, der sich vor zwei Tagen in der Downtown ereignet hat, Aufnahmen von Überwachungskameras vor. Man hat mir die Sache übertragen, weil etwas daran nicht stimmt. Man kann die Täter sehen, direkt an der Kasse, wie sie das Bargeld einsammeln. Aber sie sind nicht wirklich da. Es ist, als seien sie Gespenster oder Nachbilder. Doppelbelichtung vielleicht. Die Verkäuferin, die anderen Kunden, alle sind deutlich zu sehen, abgesehen von diesen beiden
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