Die Stunde der Hexen - Midnight Hour 4 - Roman
verschwommenen Flecken. Außerdem kann sich keiner der Zeugen an ihr Aussehen erinnern. Die Verkäuferin weiß noch, dass sie ausgeraubt wurde, aber sie kann die Diebe nicht beschreiben, kann sich nicht daran erinnern, was sie gesagt haben, ob sie mit einer Waffe bedroht wurde oder sonst was. Meiner Ansicht nach ist da was faul.«
Es war gewiss eine interessante Vermutung, auch wenn ich noch nie von einem Vampir gehört hatte, der Raubüberfälle beging. Die meisten zogen es vor, ihr Geld mit langfristigen Investitionen zu verdienen. »Ich wüsste nicht, dass ich jemals ein Bild von einem Vampir gesehen hätte. Aber ich habe nie wirklich nachgefragt.«
»Jeder Hinweis wäre hilfreich. Die Gewohnheitsskeptiker
bei der Polizei sind der Meinung, mein Verdacht auf ›Vampire‹ bedeute in Wirklichkeit ›Ich habe nicht die leiseste Ahnung‹. Ich würde zu gern beweisen, dass sie sich täuschen.«
»Wenn mir also zwei Vampire mit Taschen voller Bargeld über den Weg laufen, sollte ich mich bei Ihnen melden.«
»Ganz genau.«
Sie legte auf, und ich war dankbar, dass sie sich nicht erkundigt hatte, wann ich nach Denver zurückkam, oder dass sie mir nicht Kopien der Bilder von den Überwachungskameras hatte schicken wollen, damit ich ihr meine Meinung dazu sagen konnte. Damit hatte ich fast schon gerechnet.
Das war nicht mein einziger Anruf an dem Tag. O nein, sie kamen immer scharenweise.
Der nächste Anruf ging über das Telefon in meinem Büro ein, zu mir durchgestellt vom Hauptanschluss von KNOB. Die Stimme war selbstbewusst und zuckersüß - jemand aus dem Showbusiness. Der Tonfall war mir vertraut. »Hi, Kitty Norville? Ich heiße Judy Jones, haben Sie einen Moment Zeit?«
»Sicher. Was gibt’s?«
»Ich bin Agentin hier in New York City und habe eine Klientin, die Sie meiner Meinung nach liebend gern zu Gast in Ihrer Sendung hätten. Sie müssten es mich nur arrangieren lassen.«
Solche Anrufe erhielt ich ständig. Meine Sendung hatte kein Riesenpublikum, doch für manche Leute hatte sie genau die richtige Zuhörerschaft, was noch wichtiger
war. Ein kurzes Interview in meiner Sendung bedeutete tolle kostenlose Publicity für diese Leute.
Ich konnte immer noch Nein sagen. Es war offensichtlich, wie meine nächste Frage lauten musste. »Wer ist Ihre Klientin?«
»Haben Sie von Mercedes Cook gehört?«
»Aber ja. Sie ist eine Legende am Broadway. In den letzten vierzig Jahren hat sie sämtliche Hauptrollen gespielt. Inwiefern gehen Sie davon aus, dass sie gut in meine Sendung passen würde?«
Jones’ Stimme nahm einen amüsierten Klang an, als sei sie dabei, einen Witz zu erzählen, ohne die Pointe zu verraten. »Ms. Norville, ich muss Sie bitten, den Rest dieses Gesprächs streng vertraulich zu behandeln. Ist das möglich?«
Konnte ich ein Geheimnis für mich behalten? Diese Frage beantwortete ich jedes Mal gleich. »Sicher. Um was geht es denn?«
»Es werden allmählich Fragen um Ms. Cooks Karriere laut. Wie Sie bereits sagten, tritt sie schon seit vierzig Jahren in Hauptrollen auf. Junge Frauen. Sie ist seit ihrem ersten Auftritt als Revuetänzerin in den Sechzigerjahren um keinen Tag gealtert.«
Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Daran hätte ich nie gedacht. Ich hätte es mir mit Schönheitsoperationen oder einer tollen Maske erklärt. Ich hätte geglaubt, Mercedes Cook gehöre zu den glücklichen Menschen, die fünfundzwanzig wurden und in den nächsten beiden Jahrzehnten nicht zu altern schienen. Doch wenn dem so wäre, hätte Judy Jones nicht bei mir angerufen.
Ich war noch nie mit Mercedes Cook im selben Zimmer gewesen, hatte sie nicht gerochen und deshalb nicht feststellen können, ob sie vielleicht nicht ganz Mensch war.
»Fahren Sie fort«, sagte ich.
»Nach all dem öffentlichen Aufsehen um das Übernatürliche im letzten Jahr, das Sie vielleicht mitbekommen haben …« Ähm, ja, tatsächlich? »Die Leute fangen an, die richtigen Fragen zu Ms. Cook und ihrer bemerkenswerten Karriere zu stellen. Das Entscheidende ist, dass wir es vorzögen, dies zu unseren eigenen Bedingungen bekanntzugeben, anstatt dass es ein Reporter reißerisch in den Abendnachrichten abhandelt. Gibt es etwas Idealeres, Ms. Norville? Amerikas erste Werwolfprominente führt ein Live-Interview mit Amerikas erster Vampirprominenter.«
Ideal, in der Tat. Einer der beliebtesten Stars des Landes an einer seiner heiß geliebtesten Einrichtungen - ein Vampir? Oh, die konservativen Hexenjäger würden einen
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