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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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tanze eine Art statische Aufladung um sie. Nein – sie wurde von hinten erleuchtet. Ich wäre am liebsten um sie herumgegangen um zu sehen, was sich hinter ihr befand. Doch ich blieb an meinem Platz.
    Â»Ich bin draußen gewesen und habe einen der Zäune repariert, nachdem er von einem Wind umgeweht worden war. Miriam kam zu mir. Sie hat meinen Namen gerufen. Ich sah mich um, und sie stand direkt hinter mir. Sie hielt ein Pulver in der Hand und hat es mir ins Gesicht geblasen. Ich wusste, was es war, jeder hätte gewusst, was es war: Leichenstaub. Sie hat mich verflucht. Sie hat mich umgebracht, doch niemand würde es je erfahren. Ich bin krank geworden. Die Ärzte hatten eine Bezeichnung dafür, nannten es eine Krankheit, haben mich zu heilen versucht – doch das konnten sie nicht, weil es sich um Hexerei handelte. Miriam hat neben meinem Bett gestanden in der Nacht – meiner letzten Nacht – und hat mir erzählt, was sie vorhatte. Sie würde mir das Herz aus dem Leib schneiden und das Blut auf den Wolfspelz auftragen. Sich meine Seele aneignen und ihre Macht für sich selbst nutzen. Ich konnte es sehen, konnte sehen, wie sie mir das Herz herausschnitt, wie sie den tropfenden faustgroßen Muskel in die Höhe hielt, und ich dachte: Das ist mein Herz. Warum kann ich es sehen? Es sollte verborgen sein. Mein Herz sollte verborgen sein, in Sicherheit, doch sie hat es mir genommen. «

    Mir blieb ein Keuchen im Hals stecken, und ich konnte auf einmal mein eigenes Herz spüren. Das war nicht sie, sondern ich. Ich ermahnte mich, dass es sich nur um eine Geschichte handelte.
    Louise schüttelte den Kopf, und als sie das nächste Mal sprach, war ihre Stimme wieder ihre eigene. »Joan ist an Lungenentzündung gestorben, das haben die Ärzte gesagt. Doch Miriam hat sie umgebracht. Miriam hat ihr Herz geraubt. Ich bin in der Wüste Joans Geist begegnet, der weinend nach ihrem Herz suchte. Aber ich werde ihr helfen, es zu finden. Ich werde dir helfen, Joan.«
    Sie streckte den Arm aus, als ergriffe sie jemands Hand, obwohl sich niemand vor ihr befand. Das Leuchten verblasste, und schließlich hielt sie nur noch einen leuchtenden Punkt in der Hand. Sie schloss die Faust darum, bevor ich Genaueres erkennen konnte. Genauso gut konnte ich mir alles eingebildet haben.
    Ja, nach einem kurzen Schwindelgefühl sah der Raum völlig anders aus: Das Feuer brannte wieder wie zuvor. Louise hielt die Hand über das Gemälde, als habe sie eben das letzte Farbkörnchen an seinen Platz fallen lassen.
    Nichts von all dem war geschehen. Ich war mir sicher, dass nichts von all dem geschehen war. Allerdings hielt Ben meine Hand immer noch fest umklammert. Seine Hand war kalt, sein Gesicht blass. Er schluckte.
    Louise sah uns an. Ihre dunklen Augen glänzten. »Ich werde Ihre Aussage unterschreiben. Sie möchte, dass ich Ihre Aussage unterschreibe, dass ich Ihnen erzähle, was ich weiß. Dass ich ihre Geschichte erzähle.«
    Dann fuhr sie mit der Hand durch die Zeichnung, verschmierte
das Bildnis, verwischte die Farben und rührte im Boden, bis nur noch ein Galaxienwirbel aus dunklem Sand zu sehen war. Hier und da glitzerten Quarzkörnchen wie Sterne im Licht.
    Sie setzte sich zurück und schloss seufzend die Augen. »Gehen wir.«
    Wir schaufelten Sand über das Feuer, um es zu löschen. Louise verstaute ihre Sachen – die Streichhölzer, die kleinen Behälter mit dem farbigen Sand – in der Truhe an der Rückwand. Sie holte auch etwas hervor, umschloss es aber mit der Faust, sodass ich es nicht sehen konnte.
    Dann zog sie die Decke vom Eingang und geleitete uns aus dem Hogan. Sie hielt inne und musterte das Innere, als suche sie etwas. Oder als warte sie auf etwas. Dann glitt sie nach draußen und ließ die Decke wieder hinter sich zufallen.
    Hinaus in die Sonne zu treten war, als seien wir in einer anderen Welt, einer zu grellen, sonnenbeschienenen Welt, in der Vögel zwitscherten und eine frische Brise nach Staub und Salbei roch. Ganz gewiss keine Welt, in der jemand einen anderen Menschen umbrachte.
    Ben sagte: »Ich werde die Aussage aufsetzen.«
    Louise nickte. Ben schenkte ihr zum Dank ein schwaches Lächeln und ging dann zum Wagen. Die Hände hatte er tief in den Taschen vergraben, die Schultern wie gegen einen kalten Wind, der jedoch gar nicht wehte, nach vorne gebeugt. Auch ich zitterte. Ich schlang die Arme um mich

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