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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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normalerweise redete. Allerdings hatte ich keine große Lust, diese Geschichte zu erzählen. »Sie hat mich angegriffen. Unser Freund hat sie erschossen.«
    Â»Freund. Derselbe Mann, der John erschossen hat.«
    Â»Das ist ihr Bruder. Der Werwolf.«
    Sie sagte: »John und Miriam sind Zwillinge gewesen. Es war ihr Schicksal, vom selben Mann getötet zu werden. Es ist alles so schnell geschehen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell passieren würde.«
    Â»Was ist vorgefallen, Louise? Wie hat das alles angefangen? «
    Während des Sprechens malte sie an dem Bild weiter. »John ist zum Arbeiten nach Phoenix gegangen. Bei seiner Rückkehr – ist er anders gewesen. Da muss es wohl passiert sein. Da muss er zum Monster geworden sein. Er hat mit niemandem mehr gesprochen außer Miriam. Sie sind gemeinsam verschwunden, tagelang. Dann ist Joan gestorben. Dann John. Dann Miriam.« Ihre Stimme überschlug
sich kein einziges Mal, sie verzog keine Miene. Sie hatte das Ganze nun schon seit Wochen in Gedanken wieder und wieder durchlebt. »Ich habe es gewusst«, sagte sie. »Irgendwie habe ich gewusst, was geschehen war, dass Miriam Joan das Leben genommen hat. Dieser Zauber, dieses Böse lebt seit Anbeginn der Zeit in diesem Land. Meine Familie ist Teil davon gewesen, auf beiden Seiten. Ich habe so viel wie möglich gelernt, aber ich habe niemanden gehabt, der mir die richtige Art und Weise beigebracht hat. Die Art der Harmonie. Die alten Traditionen sind verschwunden.
    Mein Vater war der Meinung, weil John ein neues Böses von draußen mit sich gebracht hatte, sollte sich ein Außenstehender darum kümmern. Er kannte jemanden, der von einem Wolfjäger gehört hatte – Ihrem Freund. Der Wolfjäger ist hergekommen und hat seine Arbeit getan. Doch das hat dem Bösen kein Ende gesetzt. Es hat es nur noch verstärkt.«
    Der flackernde Schein des Feuers ließ die Gestalten in dem Gemälde erzittern und sich bewegen. Blinzelnd zuckte ich zurück, meine tierischen Instinkte rieten mir zur Flucht. Meine Augen tränten, und ich rückte näher an Ben, bis mein Arm ihn berührte. Ben fühlte sich zittrig an, nervös. Wie ich. Louise bemerkte die Bewegung und erkannte, dass Ben und ich das Bild auf dem Boden anstarrten.
    Â»Das hier ist für Joan. Sie ist nicht gestorben; sie ist umgebracht worden. Es gibt niemanden, der ihr hilft, den Weg ins Jenseits zu finden. Außer mich kümmert es niemanden. Ich weiß nicht wie, aber ich muss versuchen, ihr mit meinem beschränkten Wissen behilflich zu sein.«

    Es kam von Herzen, hatte Alice gesagt. Das musste doch etwas bedeuten.
    Â»Sie ist immer noch hier. Sie hat ihre Reise noch nicht angetreten. Vielleicht wird sie zu Ihnen sprechen. Vielleicht wird sie Ihnen erzählen, was vorgefallen ist.«
    Â»Woher werden wir das wissen?«, fragte ich. »Woher werden wir wissen, ob sie zu uns spricht?«
    Ben murmelte: »Wenn sie nicht aussagen oder eine Aussage unterzeichnen kann, was soll dann das Ganze?«
    Ich stieß ihm mit dem Ellbogen in die Seite.
    Â»Joan?« Louise saß am Kopf ihrer Zeichnung, die Hände auf den Knien, und starrte ziellos auf das Gemälde oder das Licht oder Phantome ihrer eigenen Einbildungskraft. Sie hatte die Stimme eines kleinen Mädchens, das in die Dunkelheit rief. »Ich bin hier.«
    Dann sagte sie etwas in einer anderen Sprache – Navajo, jeder Laut betont, melodiös.
    Auf einmal verglomm das Feuer zur Glut.
    Ben verspannte sich; ich tastete nach seiner Hand, ergriff sie. Er erwiderte den Druck. Der plötzliche Schreck musste eigentlich meine Wölfin aufgescheucht haben. Jegliche Ahnung von Gefahr rüttelte sie regelmäßig wach, weckte ihre Instinkte, regte in ihr den Wunsch zu kämpfen. Ich rechnete damit, dass dieser Instinkt jetzt einsetzen würde, doch dem war nicht so. Dieser Ort, dieses eigenartige Gefühl von Zeitlosigkeit, wirkte irgendwie besänftigend auf sie. Sie schlief, obwohl sich die Gedanken in meinem Kopf überschlugen. Mich beschlich ein merkwürdiges körperloses Gefühl, als sei ich gar nicht hier. Als könnte ich den Boden unter mir nicht mehr spüren.

    Nach langem Schweigen sagte Louise: »Sie erzählt mir die Geschichte, damit ich sie Ihnen erzähle. Ich kann sie Ihnen weitergeben, wie ich sie von ihr erfahre.«
    Eine Aura aus blauem Licht umstrahlte Louise, als

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