Die Stunde Der Jaeger
du Hunger?«, fragte ich schlieÃlich. »Ich glaube, ich habe Getreideflocken. Ein paar Eier, Speck.«
»Nein.«
»Hast du überhaupt geschlafen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Meinst du, du solltest vielleicht?«
Erneut schüttelte er den Kopf. Schade. Mein Tag wäre um einiges einfacher, wenn Cormac einfach aufs Sofa fiele und die nächsten zwölf Stunden schliefe.
Der Kaffee war fertig. Ich goss zwei Tassen ein und stellte eine neben ihn auf die Arbeitsplatte. Meine hielt ich in beiden Händen, spürte die Wärme, ohne zu trinken. Ich
hatte zu heftige Bauchschmerzen, um etwas zu mir zu nehmen.
Ich musste etwas sagen. »Wie ist es passiert? Wieso hast du zugelassen ⦠wieso ist er in die Lage geraten, von einem Werwolf gebissen zu werden?«
Er wandte sich vom Fenster ab, verschränkte die Arme und starrte quer durch die Küche. Das erste Mal seit seiner Ankunft konnte ich ihn in Ruhe mustern. Er sah ausgezehrt aus, niedergedrückt und erschöpft, hatte Schatten unter den Augen. Die letzte Rasur lag ein paar Tage zurück, und ihm wuchs allmählich ein Bart, passend zum Schnurrbart. Getrocknetes Blut blätterte von seinen Händen ab; sein Hemd war davon übersät. Er roch nach Dreck, Schweià und Blut. Eigentlich musste er unbedingt duschen, auch wenn ich so meine Zweifel hatte, dass er sich dazu überreden lieÃe.
»Es waren zwei«, sagte er. »Ich wusste, dass es zwei waren. Deshalb habe ich Ben dazugerufen, damit er mir Rückendeckung geben konnte. Aber die ganze Sache lief schief, von Anfang an. Sie brachten Schafherden um, doch vollkommen lautlos. Ich habe ein ganzes Feld voll toter Schafe gesehen, alle in Stücke gerissen, und die Hirten hockten dreiÃig Meter weiter in ihrem Anhänger und hatten nicht das Geringste gehört. Auch ihre Hunde nicht.«
»Woher hast du gewusst, dass Werwölfe dahinterstecken? «
»Weil die Familie mich angeheuert hat, den einen umzubringen. Sie haben es mir erzählt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wow, wie bitte?«
»Die Eltern, die Eltern des Jungen.«
»Der Wolf ist noch ein Kind gewesen?«
»Nein, er war einundzwanzig! Es klingt alles falsch, wie ich es erzähle.«
»Dann beruhige dich. Fang von vorne an.« Ich hielt mir die Kaffeetasse vors Gesicht und atmete den Dampf ein. Wenn ich zivilisiertes Benehmen von Cormac erwartete, musste ich mich ebenfalls beruhigen. Er stand kurz davor durchzudrehen.
»Sie wussten, dass er vollständig zum Wolf geworden war, wussten, dass er Schafe umbrachte, und sie hatten Angst, er könne anfangen, Menschen anzufallen. Niemand konnte ihn kontrollieren, also haben sie mich gerufen.«
»Sie haben ihn einfach aufgegeben? Ihr eigener Sohn, und sie wollten seinen Tod?«
»Das ist eine andere Welt da drauÃen. Mitten in der Wüste, am Rand des Navajo-Gebiets. So was kommt vor, und sie betrachten es als böse. Das pure Böse, und das Einzige, was man dagegen tun kann, ist, es umzubringen. Du hast so etwas selbst schon gesehen, du weiÃt, dass sie Recht haben.«
Das hatte ich, und ich wusste es. Ich gab es nur nicht gerne zu. »Was ist passiert?«
»Ich kannte sein Revier, wusste, wo ich nach ihm suchen musste, weil er es auf Vieh abgesehen hatte. Doch da drauÃen stieà ich auf zwei verschiedene Fährten. Werwölfe sind hart im Nehmen, aber einer allein hätte nicht so viel Schaden anrichten können. Seine Familie wusste nicht, dass es sich um zwei handelte.«
»Er und der Wolf, der ihn zum Werwolf gemacht hatte?«
»Vielleicht. Ich weià es nicht. Sie hatten keine Ahnung,
wer der zweite war. Oder sie wollten es mir nicht verraten. Da rief ich Ben zu Hilfe. Die ganze Sache war ein einziger Schlamassel; ich hätte einfach abhauen sollen. Zu viele Einzelheiten passten nicht â wie der Lärm. Die beiden hatten bis zu meinem Eintreffen drei Herden niedergemetzelt. Jemand hätte etwas hören müssen.«
»Wie hast du sie gefunden?«
»Ich lieà Ben beim Jeep, mit einer Kanone. Er war auf der Motorhaube und hielt Ausschau, während ich loszog, um sie mit einem Köder anzulocken.«
Beinahe hätte ich ihn erneut unterbrochen. Ein Köder? Jagte er so Werwölfe, mit einem Köder? Doch ich wollte seinen Redefluss nicht unterbrechen â er würde vielleicht sonst nicht weitererzählen.
»Ich habe sie gleich gefunden.
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