Die Stunde Der Jaeger
wirklich nicht noch einmal in Brasilien gewesen bist.«
»Na ja, weiÃt du«, sagte ich unbeschwert, »ich musste nach Hause zurück, meinen Abschluss machen, dann habe ich diesen Typen getroffen, nicht wahr, und dann habe ich mit diesem Typen Schluss gemacht â und du weiÃt ja, wie das so geht, erst dies, dann das, und ich schätze mal, ich habe mich ablenken lassen.«
Damit lieà Ariel sich nicht abspeisen. »Irene, nimmst du mich etwa auf den Arm?«
Verdammt, sie hatte mich erwischt. Das bedeutete noch lange nicht, dass ich es zugeben musste. »Oh, Ariel, wieso sollte ich denn so was tun?«
»Verrat du es mir.«
»Dich mit einer Lügengeschichte über mein Leben als Werjaguar anzurufen, wäre â ach, ich weià auch nicht â eine Selbsttäuschung, die ihren Ursprung in einer psychischen Störung hätte? Ein verzweifelter Schrei nach Aufmerksamkeit?«
»Genau das denke ich auch«, sagte Ariel. »Machen wir mit dem nächsten Anrufer weiter, Gerald â¦Â«
Ich legte entrüstet auf. Noch immer hatte ich sie nicht dazu gebracht, etwas Dummes zu sagen. Ich kam mir ziemlich dumm vor, aber was sollâs. Das zweijährige Kleinkind in mir amüsierte sich köstlich.
Cormac beobachtete mich von der Küche aus, was mich
noch mehr verstimmte. Ich konnte kein Publikum gebrauchen. Jedenfalls keines, das vor mir saà und mich anstarrte.
Er sagte: »Ist dir je in den Sinn gekommen, dass sie in Wirklichkeit vielleicht ein Vampir oder eine Hexe oder so was ist, genauso wie du in Wirklichkeit ein Werwolf bist? Dass sie es geheim hält wie du früher?«
»Bis zu dem Zeitpunkt, als du mich hast auffliegen lassen, meinst du?«
Er zuckte unverbindlich mit den Schultern, als wollte er sagen: Wer? Ich?
»Sie ist ein Schmock«, murmelte ich.
»Was zur Hölle bist du dann?«
»Offensichtlich Schnee von gestern.« Ich strich mir seufzend die Haare zurück.
Er stand auf und griff nach seiner Jacke und dem Gewehr, die auf der Arbeitsplatte lagen. »Wenn du dich in Selbstmitleid suhlen möchtest, kannst du das allein tun.«
»Ich suhle mich nicht ⦠das hier ist nicht ⦠ich bin nicht auf dein Mitleid aus.«
»Gut. Denn du kriegst keines. Wenn du Schnee von gestern bist, ist es deine eigene Schuld.«
»Wohin gehst du?«
»Wachdienst. Sollte ich auf ausgeweidete Kaninchen stoÃen, gebe ich dir Bescheid.«
Rumms! , schlug er die Eingangstür hinter sich zu. So viel dazu.
Mit einem frustrierten Knurren griff ich nach der Decke und wickelte mich auf dem Sofa ein.
Ich war kein Schnee von gestern. War ich nicht .
Noch nicht.
Sieben
Verwirrt erwachte ich und setzte mich auf dem Sofa auf. Ich hatte nichts gehört, nichts Bestimmtes hatte mich aus dem Schlaf gerissen, doch es fühlte sich an, als habe jemand eine Tür zugeschlagen oder ein Gewehr abgefeuert.
Cormac.
Er schlief auf einem Stuhl, den er zum Wohnzimmerfenster gezogen hatte. Genau wie er gesagt hatte, hatte er Wache gehalten. Doch ich hätte niemals gedacht, dass er während seines Wachdienstes einschliefe. Das sah ihm einfach nicht ähnlich.
Was auch immer mich aus dem Schlaf gerissen hatte, hatte keinerlei Wirkung auf ihn gehabt. Er schnarchte sogar ein wenig, sein Kinn neigte sich vor, bis es beinahe seine Brust berührte.
Der Himmel drauÃen war grau. Hell, also dämmerte es schon, doch immer noch bedeckt, als werde es gleich schneien. Mir war ein wenig übel, und mein Kopf fühlte sich dumpf an, was bedeutete, dass ich nicht genug geschlafen hatte.
»Cormac?«, sagte ich.
Sofort setzte er sich auf und legte die Hand auf den Revolver, den er auf meinem Schreibtisch abgelegt hatte. Er sah sich um, wobei er angespannt auf der Stuhlkante saÃ,
als erwarte er einen Angriff. Erst dann sagte er: »Was ist passiert?« Er sah mich nicht an; seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Fenster und der Tür.
»Ich bin von etwas geweckt worden«, sagte ich.
»Ich wollte nicht einschlafen«, sagte er. »Ich hätte wirklich nicht einnicken sollen.« Seine Hand umklammerte die Waffe, als handele es sich um eine Trost spendende Schmusedecke. Er hielt den Revolver gesenkt, doch ich hegte keinen Zweifel, dass er binnen eines Herzschlags zielen und schieÃen konnte. Apropos Herzschlag, seiner hatte sich beschleunigt. Ich konnte seinen Puls hören und seine Nervosität riechen. Er war
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