Die Stunde Der Jaeger
Geräusch wie Krallen auf einer Tafel war. Mom.
Cormac war noch nicht zurück, sondern kümmerte sich immer noch um den Schlamassel drauÃen. Ben hatte sich wieder ins Bett gelegt. Ob er schlief, wusste ich nicht.
Ich rollte mich auf dem Sofa zusammen. »Hi, Mom.«
»Hi, Kitty. Geht es dir gut? Du klingst ein wenig neben dir.«
Ein wenig neben mir. Ha! »Mir geht es in etwa so wie bei unserem letzten Telefonat. Die Dinge könnten besser liegen, aber ich lasse den Kopf nicht hängen.« Hängen. Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich wollte nichts hören, das irgendetwas mit Hängen zu tun hatte.
»Was ist los? Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen. Du gibst mir Bescheid, falls es etwas geben sollte, das ich â¦Â«
»Danke, Mom. Im Moment fällt mir da aber nichts ein. AuÃer du kennst dich mit Blutzauber aus?«
Sie dachte kurz nach. Ihre Miene lieà sich nicht erraten. »Nein, kein bisschen.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Kitty, sag mir die Wahrheit: Geht es dir gut?«
Mir traten Tränen in die Augen. Ich würde ganz bestimmt nicht vor Mom zu weinen anfangen! Wenn ich einmal damit anfing, würde ich nicht aufhören, und dann würde sie sich erst so richtig Sorgen machen. Und wahrscheinlich hatte sie sogar recht, wenn sie besorgt war. Ich holte tief Luft und riss mich zusammen.
»Das wird es.« Irgendwie ⦠»Im Moment stecke ich in einem Schlamassel, aber ich kämpfe mich schon durch.«
»Bist du dir sicher, dass es nichts gibt, was ich tun kann?«
»Ganz sicher.«
»Sind deine Freunde noch bei dir? Helfen sie dir?«
»Ja, tun sie.« Wenn Cormac nicht hier gewesen wäre und sich um die Sache mit den Hunden gekümmert hätte, wäre ich höchstwahrscheinlich schreiend davongelaufen und nie wieder zurückgekehrt.
»Gut. Da bin ich aber froh. Du weiÃt doch, dass ich mir Sorgen um dich mache.«
»Ich weiÃ, Mom. Das weià ich zu schätzen, wirklich.« Und das stimmte auch. Es war gut, Menschen zu haben, die auf einen aufpassten.
»Tja ⦠ruf mich bitte an, falls du etwas brauchen solltest, falls es etwas gibt, das ich tun kann. Und scheu dich nicht, nach Hause zu kommen, wenn es nötig sein sollte. Das ist keine Schande.«
»Danke, Mom.« Etwas anderes fiel mir nicht ein. Bloà ⦠danke.
Acht
Dann brach der Tag an.
Laut Farmerâs Almanac wurde der Vollmond im Januar Wolfsmond genannt. Es war die Jahreszeit, tief im Winter, wenn die Menschen sich früher in ihren Behausungen zusammendrängten, gegen die Kälte ein Feuer entfachten, den heulenden hungrigen Wölfen drauÃen lauschten und beteten, dass sie selbst in Sicherheit waren. Die Kälte sickerte nicht nur in die Körper, sondern auch in die Seelen der Menschen, und ihre Ãngste steigerten sich ins Unermessliche. Sommer und Sicherheit schienen ganz weit weg zu sein.
Verflucht zu sein war vielleicht reine Einstellungssache.
Ich beschloss, Ben auf keinen Fall sterben zu lassen. Wenn ich ihn mit Silber fesseln müsste, damit er sich kein Leid zufügen konnte, würde ich es tun. Sollte der morgige Tag anbrechen, und er immer noch wollen, dass Cormac ihn umbrachte, würde ich Cormac aufhalten. Irgendwie. Seine Waffen verstecken, gegen ihn kämpfen, irgendwas.
Vielleicht könnte ich Cormac in einem Nahkampf k. o. schlagen â ich war stärker, als es den Anschein hatte, und vielleicht vergäÃe er es. Wenn Cormac allerdings bewaffnet sein sollte, würde ich wahrscheinlich sterben. Wenigstens wüssten sie dann, wie sehr mir die Sache am Herzen gelegen hatte.
Doch mal langsam. Erst musste ich den heutigen Tag hinter mich bringen, bevor ich mir Sorgen um morgen machen konnte.
Ich erwachte bei Tagesanbruch â wieder einmal auf dem Sofa â, lag aber lange Zeit zusammengerollt da und wünschte mir, alles sei längst vorüber. Die Wölfin wusste, welcher Tag es war; ein nagendes, unruhiges Gefühl machte sich in meinen Eingeweiden bemerkbar, und bis zum Einbruch der Nacht würde es immer stärker werden; zu dem Zeitpunkt würde es sich in Messer und Krallen verwandeln, während das Wesen in mir versuchte, sich reiÃend einen Weg aus der schwachen menschlichen Hülle zu bahnen, bis es endlich hervorbrach und mich zur Verwandlung zwang. Im Schlafzimmer spürte Ben all dies zum ersten Mal. Er würde nicht wissen, was er
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