Die Stunde Der Jaeger
Werwolf, dem er und Cormac in New Mexico auf die Spur gekommen waren. Was sollte uns Tony seiner Meinung nach darüber verraten können?
Tony runzelte nachdenklich die Stirn. »Wofür hältst du es?«
»Das möchte ich lieber nicht sagen. Du sollst es dir unvoreingenommen ansehen.«
»Sicher. Ich bin dabei.«
Ben sah mich an. »Wie wärâs? Wo war es das letzte Mal, drauÃen bei der StraÃe an der County-Grenze?«
Marks hatte mir den genauen Ort nicht verraten wollen.
Er hatte so getan, als gehe er davon aus, dass ich es ohnehin wüsste. Doch er hatte die generelle Richtung angedeutet.
»Was wird er deiner Meinung nach finden?«, fragte ich.
»Reine Neugierde«, sagte Ben. »Du behauptest die ganze Zeit, es sei kein Werwolf. Ich würde mir gerne anhören, was Tony zu der Sache zu sagen hat.«
Mit einem vorwurfsvollen Seufzen machte ich mich auf die Suche nach meinen Autoschlüsseln. »Ben, du wirst anfangen müssen, deiner Nase zu vertrauen.« Ich sah Tony an. »Es ist kein Werwolf.«
»Jetzt ist meine Neugierde geweckt«, sagte er.
»Was auch immer es ist, ich möchte dahinterkommen, damit es Cormac und mich nicht wie beim letzten Mal eiskalt erwischt«, sagte Ben.
Das klang, als werde es ein nächstes Mal geben. Warum überraschte mich das nicht?
Elf
Die StraÃe an der County-Grenze bog ein paar Meilen auÃerhalb der Stadt vom State Highway ab. Sie bestand aus zwei schmalen Spuren, gepflastert, keine erkennbare Standspur. Zu beiden Seiten säumten Stacheldrahtzäune vergilbte Weiden. Wir alle hielten die Augen offen und spähten nach irgendetwas Ungewöhnlichem aus den Fenstern, irgendeinem Einschnitt in dem immer gleichen Weideland.
Tony bemerkte es und deutete darauf. »Da!«
Ich drosselte die Geschwindigkeit und fuhr auf das Gras neben der StraÃe. Links von uns, auf der anderen Seite einer Senke inmitten des Weidelands stand ein Schaufelbagger geparkt. Irgendwie wirkte das gewöhnliche Arbeitsgefährt unheimlich, wie es hier drauÃen so ganz allein lauerte. Der Fahrer schien nicht in der Nähe zu sein. Vielleicht beim Mittagessen.
Zu dritt überquerten wir die StraÃe und stiegen vorsichtig über den Stacheldraht. Der Weg zu dem Bagger â und dem Werk, das er hier zu verrichten hatte, was immer das auch sein mochte â erinnerte an letztes Mal, als Marks uns zu der niedergemetzelten Herde geführt hatte. Dieser unaufhaltsame Marsch auf ein namenloses Gräuel zu. Ich wollte nicht wissen, was sich hinter diesem Abhang befand. Und dennoch ging ich weiter.
SchlieÃlich erreichten wir den höchsten Punkt des Abhangs und blickten auf das hinab, was sich jenseits davon erstreckte.
Der Bagger hatte sein Werk verrichtet. Ein Hügel frisch umgepflügter Erde lag über einem kürzlich zugeschaufelten Graben, einem Loch, das eine Seitenlänge von etwa sechs Metern aufwies. Die Beweise waren verbuddelt, säuberlich beseitigt. Es war jedoch erkennbar, wo das tote Vieh gelegen hatte: das zerdrückte Gras, die dunklen Blutflecken auf der Erde. Jedem wäre klar gewesen, dass hier etwas vorgefallen sein musste.
Tony stand mit verschränkten Armen da und betrachtete den Schauplatz. Er hatte die Stirn in Falten gelegt. »Werwölfe sind das nicht gewesen.«
»Woher weiÃt du überhaupt, was passiert ist?«, fragte Ben.
»Etwas ist hier gestorben«, sagte Tony nüchtern. »Unschön, wie du schon sagtest. Aber mehr noch. Böse. Spürst du es nicht?«
»Ich weià nicht. Was soll ich denn spüren?«
Ich wusste, wovon Tony sprach. Werwölfe waren nicht von Natur aus böse. Es gab solche und solche. Es waren Individuen, die ganz unterschiedliches Verhalten und individuelle Absichten an den Tag legten. Aber das hier â ein Miasma stieg aus dem Boden selbst empor, durchdrang meine Haut und verursachte mir eine Gänsehaut. Es fühlte sich an, als beobachte mich etwas aus den Bäumen, doch ich konnte nichts entdecken.
»Böse«, wiederholte ich. »Es fühlt sich böse an. Es will nur eines: vernichten.«
Ben sagte durch zusammengebissene Zähne: »Seitdem mich dieser Hurensohn gebissen hat, spüre ich dieses Kribbeln unter der Haut. Wie soll ich da einen Unterschied erkennen?«
Er konnte das Blut riechen, und der Geruch stachelte seinen Wolf auf, als stochere man mit einem Stock in einem
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