Die Stunde Der Jaeger
normalerweise an. Die Krallen â hatte er Krallen oder Finger?
»Mr OâFarrell, geht es Ihnen gut?« Richterin Heller hatte besorgt die Stirn in Falten gelegt.
Alle in dem Gerichtssaal starrten uns an. Das war mir gleichgültig. Ich lieà meine Hand an seinem Rücken und
hoffte, dass er auf den Druck reagieren würde. Cormac und ich beobachteten ihn beide aufmerksam und warteten ab.
Nach einer Weile richtete Ben sich wieder auf. Er knarrte beinahe, als müsse er jeden einzelnen Wirbel einrenken. Sein Gesicht war blass, und er schwitzte am Hals.
»Alles in Ordnung«, sagte er, obwohl seine Stimme immer noch rau klang, wie ein Knurren. »Bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung. Alles in Ordnung.« Er strich sich den Anzug glatt und schüttelte sich, um den Bann loszuwerden. Langsam setzten Cormac und ich uns wieder auf unsere Plätze.
Mein Herz schlug rasend schnell. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass wir gerade noch einmal davongekommen waren. Er sollte das hier nicht tun; in seiner Verfassung sollte er nicht dem Stress im Gerichtssaal ausgesetzt sein. Er war immer noch ein junger Wolf.
Heller begann wieder zu sprechen. »Beide Parteien sollten beratschlagen und sich auf einen Zeitpunkt für eine Vorverhandlung einigen, bei der der Angeklagte sich angesichts der Anklagepunkte schuldig oder nicht schuldig bekennen wird.«
Dann war die Sache jäh, in einer Antiklimax, vorbei. Und Cormac kam nicht mit uns. Nicht gegen Kaution entlassen.
Im Gerichtssaal herrschte geschäftiges Treiben. Gerichtsdiener kamen, um Cormac abzuführen, der mir über die Schulter hinweg einen Blick zuwarf. »Pass auf ihn auf. Lass ihn nicht aus den Augen«, sagte er leise. Ich nickte rasch und sah zu, wie sie ihn abführten. Er wusste also auch, wie knapp die Sache gewesen war.
Marks starrte uns quer durch den Saal wütend an, riskierte jedoch keine Auseinandersetzung, sondern verschwand.
Espinoza kam auf Ben zu, der immer noch aussah, als werde er gleich in Ohnmacht fallen. Ich konnte das Hämmern seines Herzens hören. Beim geringsten Anzeichen, dass er Hilfe benötigte â sollte er erneut zusammenzubrechen drohen â, war ich bereit, aufzuspringen und ihm zur Seite zu stehen. Er riss sich jedoch zusammen. Gut sah er zwar nicht aus, aber er hielt sich aufrecht und atmete weiter.
Ich mochte George Espinoza nicht, auch wenn ich wusste, dass das ungerecht war. Ich kannte ihn nicht, hatte noch nie mit ihm gesprochen. Doch in meinen Augen stellte er eine Bedrohung dar. Er griff meine Leute an. Mein Rudel. Am liebsten hätte ich mich zwischen ihn und Ben geschoben und hätte ihn angeknurrt. Doch ich musste einfach beiseite treten und den Dingen ihren Lauf lassen.
Sie unterhielten sich leise. Ben nickte mehrmals. Da schickte der Gerichtsdiener sie aus dem Saal, um Platz für die nächste Verhandlung zu schaffen. Ich ging ihnen hinterher und versuchte, sie zu belauschen. Zwei Ausdrücke konnte ich aufschnappen. »Geben Sie mir eine Woche« und »Verfahrensabsprache.«
Ich trat erst zu Ben, nachdem Espinoza den Vorraum auÃerhalb des Gerichtsaals verlassen hatte. Ben stand steif da und hielt eine Mappe umklammert, die er anstatt seiner Aktentasche bei sich trug. Seine Haltung war starr â er versuchte sich trotz seiner Wut zusammenzureiÃen. Er war daran gewöhnt, seinen Ãrger im Gerichtssaal loszuwerden;
ihn zu nutzen, um seine Beweisführung mit mehr Verve vorzutragen. Jetzt lieà der Wolf es nicht zu.
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Verschwinden wir.«
Er lieà sich von mir aus dem Gebäude führen. Bis wir im Freien waren, stützte er sich auf mich.
DrauÃen im Sonnenschein brachte ich es über mich, ihn zu fragen: »Wie knapp ist es da drinnen gewesen? Wie kurz bist du davorgestanden, dich zu verwandeln?«
Geistesabwesend schüttelte er den Kopf. »Ich weià es nicht. Ich hatte das Gefühl, ich hätte falsch atmen können, und alles wäre zusammengebrochen. Ich konnte spüren, wie er von innen gegen meine Haut stieÃ. Ich weià es einfach nicht.« Er schloss die Augen und atmete tief und bebend ein. »Ich kriege das nicht hin.«
»Doch, tust du. Es ist alles in Ordnung, du hast es geschafft, dich zusammenzureiÃen.«
»Nicht ich«, sagte er. »Es ist mir egal, was mit mir geschieht. Ich spreche von dem Fall.«
»So schlimm kann es nicht sein.
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