Die Stunde Der Jaeger
Auto, und ich muss zu viel überprüfen. Das muss ich aufholen.« Er starrte voll hektischem Eifer auf den Bildschirm.
»Wirst du ihm denn wirklich eine Hilfe sein, wenn du im Gerichtssaal einschläfst?«
Er nahm die Hand von der Tastatur und neigte den Kopf. Die Müdigkeit war ihm anzusehen. Als er zum Sofa kam, setzte ich mich auf, machte ihm Platz und zog ihn in meine Arme. Mein Körper hatte endlich zu heilen begonnen, doch es tat immer noch weh. Ich klagte nicht. Er brauchte meinen Trost, so sehr ich mich auch nach jemandem sehnte, der mir Trost spendete. So blieben wir eine lange Zeit, sein Kopf an meine Schulter gebettet, bis die Anspannung von ihm abzufallen begann. Ich zog ihn aus, brachte ihn ins Bett und hielt ihn fest, bis er endlich einschlief; er hatte sich in meinen Armen zusammengerollt. Vollständig entspannte er sich allerdings nicht.
Am nächsten Morgen gingen wir ihm einen Anzug kaufen. In Walsenburg würden wir nichts Schickes finden. Das brachte Ben noch mehr aus der gewohnten Stimmung. Doch irgendwie schafften wir es.
Er zog sich im Wagen auf dem Weg zum Kreisgericht von Huerfano County um, wo Cormacs erste Verhandlung stattfinden sollte. Der Anzug passte nicht sonderlich gut, Ben machte keinen so eleganten Eindruck, wie ihm vielleicht lieb gewesen wäre. Ich fuhr ihm mit den Fingern durch die Haare, richtete ihm die Krawatte und strich ihm das Revers glatt. Als schickte ich ihn zu einem Abschlussball oder etwas Ãhnlichem.
Ben sah aus, als schickte ich ihn zu einer Hinrichtung. Seine Haltung war immer noch angespannt, die Schultern steif, wie die aufgestellten Rückenhaare eines nervösen Wolfes.
»Wirst du es schaffen?«
»Ja. Ja, sicher. Es ist eine reine Formalität. Der Richter wird sich seine Aussage ansehen, die Zeugenaussagen und den Fall dann verwerfen. Mehr ist an der Sache nicht dran.«
Er ging allein in das Gebäude, um sich vor der Verhandlung mit Cormac zu treffen. Ich machte mich auf den Weg zum Gerichtssaal. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht das hundert Jahre alte Gebäude bewundert, das aus nüchternem grauen Stein erbaut war und auf dem ein einfacher verzierter Turm prangte. Damals waren Bauwerke noch auf Beständigkeit angelegt.
Ich wusste selbst nicht, was ich erwartete â wohl einen dramatischen, geschäftigen Schauplatz wie in einem Gerichtsdrama
im Fernsehen. Doch der Saal war beinahe leer. Marks stand auf der einen Seite. Zwei Männer in Anzügen unterhielten sich leise. Leuchtstofflampen brannten. Der ganze Ort machte den Eindruck schwerfälliger Bürokratie. Ich setzte mich in die erste Reihe hinter der Verteidigung. Das Ganze hätte bestimmt lehrreich sein können, wäre ich nicht so nervös wegen Ben und Cormac gewesen.
Ohne Ankündigung führten zwei Gerichtsdiener Cormac in den Saal. Er hatte Gelegenheit gehabt, sich zu rasieren, sodass er nicht ganz so gemeingefährlich wie in der vergangenen Nacht aussah. Ein Punkt zu seinen Gunsten, und das war wohl Teil der Strategie. Doch es war schockierend, ihn in einem orangefarbenen Gefängnisoverall zu sehen; kurzärmlig, sackartig und nicht gerade vorteilhaft. Bei diesem Anblick stieg eine schreckliche Vorahnung in mir empor.
Ben folgte, und die beiden stellten sich hinter einer der Bänke vor dem Richtersitz auf.
Das ganze Verfahren lief in einer Art Dunstschleier ab. Die Richterin, Heller, eine Frau mittleren Alters mit braunen, zu einem Knoten gebundenen Haaren und nüchterner Miene, betrat den Saal und nahm Platz. Ben und Cormac blieben vor ihr stehen. Auf der anderen Seite kramte einer der Anzugträger, ein überraschend junger Mann â nicht älter als Ben und Cormac â in Papieren auf dem Tisch vor ihm. George Espinoza, der Staatsanwalt. Sein Anzug war tadellos, er trug die dunklen Haare zurückgekämmt, und seine Miene war bösartig. Ein Kreuzritter. Kein Wunder, dass Ben sich Sorgen machte.
Der Staatsanwalt verlas die Tatsachen â und nichts als die Tatsachen, Maâam. Zeitpunkt und Ort von Cormacs Verhaftung, die Art des Verbrechens, das wahrscheinliche Motiv. Die Anklage: Mord. Nicht bloà Totschlag, sondern Mord. Das war ernst, viel zu ernst.
Espinoza erläuterte: »Es wurde mit angehört, wie der Angeklagte sagte, er habe das Opfer verfolgt, ja er habe es schon seit einiger Zeit im Auge gehabt, weil er es umbringen wollte. Er wurde vergangenen Monat an
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