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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Vaughn
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fragwürdig, ob sie mit bloßen Händen tödlichen Schaden zufügen konnte. Außerdem deuten die Beweise darauf hin, dass sie während des Vorfalls in höchstem Grade unzurechnungsfähig war.« Er blickte auf ein Blatt Papier mit Notizen. »Sie trug zu dem Zeitpunkt ein Wolfsfell, und es ist darauf hingewiesen worden, dass sie sich anscheinend für einen Wolf gehalten hat. Es fällt mir schwer zu glauben, dass sie in solch einem Geisteszustand, in Anbetracht ihrer körperlichen Verfassung, überhaupt eine Gefahr für irgendjemanden darstellen konnte. Zumal sie bereits drei Schusswunden in der Brust aufwies. Das Opfer war bereits außer Gefecht gesetzt, als der Angeklagte den letzten, tödlichen Schuss abfeuerte. In dem Augenblick war es keine Verteidigung mehr, sondern Mord.«
    Und nichts daran war falsch. Sie hatte ein Wolfsfell getragen. Dass es sie tatsächlich in einen Wolf verwandelt hatte – dies anzudeuten, würde an diesem Ort lächerlich klingen. Vielleicht hätte sie uns nicht mit ihrem Skinwalker-Zauber angegriffen. Doch Cormac hatte das nicht gewusst.
    Ben gab eine weitere Salve ab. »Da eine psychologische Evaluation des Opfers unmöglich ist, möchte ich anhand von Präzedenzfällen den Beweis erbringen, dass gerade eine solche Geisteskrankheit sie zu einer Gefahr für ihre Mitmenschen gemacht hat, selbst in verwundetem Zustand.«
    Heller stellte eine Frage. »Die Zeugin, die in die körperliche
Auseinandersetzung mit dem Opfer verwickelt war – wie beträchtlich sind ihre Verletzungen?«
    Kurzzeitig legte sich düsteres Schweigen über den Saal. Wie beträchtlich waren meine Verletzungen? Nicht sehr, jedenfalls nicht mehr. Ich hatte Wundschorf an den Stellen aufzuweisen, an denen die schlimmsten Kratzspuren verheilt waren, ein paar rosafarbene Male. Binnen zwei Tagen würden selbst die verschwunden sein. Doch wenn ich kein Lykanthrop wäre, läge ich jetzt im Krankenhaus. Wenn ich kein Lykanthrop wäre, könnten wir sagen: Sehen Sie, hiervor hat Cormac uns gerettet, deshalb sollte er nicht im Gefängnis sitzen. Doch die Möglichkeit hatten wir nicht.
    Statt einer Antwort fuhr Heller fort. »Ist Ms Norville nach der Auseinandersetzung überhaupt ärztlich untersucht worden?«
    Â»Nein, Euer Ehren«, sagte Ben leise. Ich hätte mich von ihm ins Krankenhaus bringen lassen sollen. Er hatte mich ins Krankenhaus bringen wollen. Wenigstens hätten wir Fotos von den Verletzungen machen können.
    Keiner von uns hatte damit gerechnet, dass wir die Angelegenheit hier vor Gericht erörtern würden. Dass wir auf die Beweise angewiesen wären.
    Â»Dann ist die Brutalität des Angriffs des Opfers vielleicht übertrieben dargestellt worden?«
    Ich hätte mich einfach von Miriam Wilson umbringen lassen sollen. Auf diese Weise wäre Cormac aus dem Schneider gewesen. Es hätte das Leben aller Beteiligten um einiges leichter gemacht. Welch wunderbar schwarzseherische Denkweise!
    Bens Stimme veränderte sich, wurde angespannt vor
Wut. »Ihnen liegen die Zeugenaussagen vor, Euer Ehren. Zu dem Zeitpunkt fürchteten alle um Ms Norvilles Leben. Dieser Anblick bot sich meinem Mandanten, und das sollte berücksichtigt werden. Es bestehen überhaupt nur Zweifel, weil Sheriff Marks einen Groll gegen ihn hegt. Dieses Gericht ist befangen.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Von hinten konnte ich sehen, wie sich seine Atmung beschleunigte und sich seine Rippen unter dem billigen Anzugjackett dehnten.
    Heller schüttelte den Kopf und machte Anstalten, die Verhandlung jäh zu beenden. »Ich bin nicht gewillt, diese Klage aufgrund der von Ihnen dargelegten Beweislage abzuweisen, Mr O’Farrell.«
    Ben atmete zischend aus und stand beinahe gekrümmt da. Er stützte sich auf den Tisch und neigte den Kopf. Die Haltung war mir vertraut – so stand ich da, wenn die Wölfin in mir kämpfte, wenn sie sich an der Oberfläche befand und auszubrechen versuchte.
    Rasch erhob ich mich. Indem ich mich so weit wie möglich vorbeugte, konnte ich Ben von hinten berühren. Sein Rücken war steif wie ein Brett, er litt Schmerzen. Cormac packte ihn mit seinen gefesselten Händen am Arm. Bitte nicht hier, flehte ich insgeheim. Spür meine Berührung, bleib Mensch, reiß dich zusammen. Ich versuchte, einen Blick auf seine Hände zu erhaschen – dort fing es

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