Die Stunde Der Jaeger
Oder?« Er war der Anwalt. Wer war ich schon, dass ich ihn im Nachhinein kritisierte?
»Jeder vernünftige Mensch sieht sich die Beweise an und gelangt genau zu der Schlussfolgerung, die Espinoza dargelegt hat. Wenn ich mich dort hinstelle und sage, nein, sie hat nicht bloà ein Wolfsfell getragen, sie ist tatsächlich zu einem Wolf geworden, klinge ich wahnsinnig. Die Augenzeugenberichte von ein paar Leuten, die im Dunkeln standen und vor Angst nicht klar denken konnten, versus die greifbaren Beweise aus dem Bericht des Coroners â
es ist nicht schwer abzusehen, wem eher Glauben geschenkt werden wird. AuÃerdem ist sie auÃer Gefecht gesetzt gewesen, als Cormac sie umbrachte. Zu dem Zeitpunkt hat er niemanden verteidigt.«
»Das wussten wir nicht, nicht mit Sicherheit. Marks war dort â warum sagt er es ihnen nicht? Er ist Polizist, würde seine Aussage denn nicht mehr wiegen?«
»Er hat Espinozas Version abgesegnet.«
Natürlich. »Das ist unfair. Man möchte meinen, nach allem, was er mir angetan hat, könnte er sich wenigstens für Cormac einsetzen.«
»Bloà dass er entschieden hat, dass sie gar nicht so gefährlich gewesen ist, und Cormac überreagiert hat. Der Bericht des Coroners ergibt mehr Sinn als ein Skinwalker, also hält er daran fest. Das wird vor Gericht Bestand haben. Nicht die Gespenstergeschichten.«
Am liebsten hätte ich Ben geschüttelt; ihm gesagt, er solle sich zusammenreiÃen und sein Selbstvertrauen wiedergewinnen. Er musste Cormac retten, und das würde er nicht schaffen, wenn er so redete.
Ben sagte: »Er hätte sie zum Schluss nicht erschieÃen sollen. Das ist ein Fehler gewesen.«
»Ich weiÃ.«
Einen Punkt umgingen wir bei unserem Gespräch. Dass Cormac diesmal zu weit gegangen war, um noch gerettet werden zu können. Nichts, was wir sagten oder taten, würde diesen Augenblick je ungeschehen machen.
Wir gingen ein paar Schritte weiter, und ich wechselte das Thema. »Wieso wollte die Richterin denn keine Kaution festsetzen?«
Seine Miene verfinsterte sich. »Espinoza will nicht das Risiko eingehen, dass Cormac sich auf und davon macht. Heller hat recht, diese Bürgerwehrbekloppten haben die Kaution schon öfter sausen lassen. Espinoza und Heller halten ihr Augenmerk auf die Tatsachen gerichtet, die ihnen in den Kram passen, und nicht auf diejenigen, die von Bedeutung sind. Vielleicht gibt es da eine Vorgeschichte, die ihr Urteil beeinflusst.«
Das warf etliche weitere Fragen auf. Mittlerweile waren wir beim Wagen angekommen. »Worum geht es also bei dem ganzen Kram um Cormac und die Mountain Patriot Brigade?«
Ben ging weiter, beinahe, als hätte er mich nicht gehört, und stieg ins Auto, ohne mich anzusehen. Ich hatte schon den Motor angelassen, als er endlich sagte: »Das werde ich nicht beantworten.«
»Warum nicht? Du weiÃt doch wohl, dass diese Typen so was wie Neonazis sind?«
»Das leugne ich nicht.«
Diese Sache und Cormac brachte ich gedanklich einfach nicht unter einen Hut. »Und?«
»Und ich glaube nicht, dass es die Gruppierung überhaupt noch gibt. Das ist mittlerweile irgendein Kerl in einem Keller, der eine Website hat.«
»Woher weiÃt du das? Wieso habt ihr beiden damit überhaupt etwas zu tun?« Meine Stimme wurde allmählich schrill.
»Ich schulde dir keine Erklärung.«
Das machte mich einfach nur sauer. »Ach, wirklich?«
Er starrte mich zornig an, und ich nahm eine drohende
Haltung ein. Genau das brauchten wir. Einen Kampf. Imponiergehabe. Kräftemessen. Ich wollte seinen Wolf nicht mehr reizen, als es ohnehin schon geschehen war.
Ich legte den Gang ein und fuhr vom Parkplatz.
Die Bewegung des Autos, die Fahrt auf dem Highway zurück zur Hütte, wirkte besänftigend auf uns. Ben wollte es mir nicht verraten, und das war wahrscheinlich sein gutes Recht. Doch ich verfügte über andere Methoden, an Informationen zu gelangen. Im Moment hatten wir wirklich genug andere Probleme zu lösen.
Nachdem wir noch ein paar Meilen an Ranchländereien vorübergebraust waren, sagte er: »Ich möchte mir ein Hotelzimmer in Walsenburg nehmen, um näher am Gericht zu sein.«
Am Abend packten wir unsere Sachen und suchten uns eine Bleibe für die Dauer des Prozesses.
Am nächsten Tag arbeitete Ben an seinem Fall. Das bedeutete vor allem Gespräche mit Leuten, Laufereien,
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