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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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dass der bekannte Arzt dieses Mal nicht mit seiner Frau und der Tochter hier war, sondern mit seiner Geliebten.
    Fleur liebte es, morgens neben ihm aufzuwachen, ihm zärtlich die Haare aus der Stirn zu streichen und sich an seine Brust zu kuscheln. Wie schön muss es sein, mit ihm zu leben, dachte sie in diesen Momenten der Stille und einer Zusammengehörigkeit, die nur Illusion war. Die Zeit verstrich schnell, und an dem traurigen letzten Tag liefen sie am Strand entlang. Ein starker Wind war aufgekommen, und sie lauschten auf das einsame Rufen der Möwen, die in den grauen Wolkenhimmel aufstiegen.
    Fleur blieb stehen und sah aufs graue Meer hinaus. »Wie schön das ist«, murmelte sie.
    Da nahm Patrice sie in die Arme und zog sie an sich. »Ich liebe dich«, flüsterte er. »Ich werde dich lieben, solange ich lebe.«
    Solange ich lebe. Es war ein Versprechen für die Zukunft, und Fleur glaubte daran.
    *
    Zurück in Paris, vergingen für Fleur die Wochen nur langsam, denn sie verbrachte die Zeit mit Warten auf Patrice. Er kam unregelmäßig, und wenn er kam, war er in Eile und hatte meist nur eine Stunde Zeit, die sie dann im Bett verbrachten. Die innige Nähe zwischen ihnen, die zärtliche Vertrautheit von Deauville gab es nicht mehr.
    Im August kam Ginette herauf, um Fleur auszurichten, Patrice erwarte sie abends in der Brasserie Lorraine an der Place des Ternes, um acht Uhr. Die Concierge enthielt sich jeden Kommentars, beschwerte sich nur schlecht gelaunt, dass sie es satt habe, für alle Mieter die Telefonate anzunehmen.
    »Bei dir muss ich ständig bis hierauf laufen, um dir die Termine deines Liebhabers weiterzugeben.«
    »Das musst du Monsieur Perrin sagen«, erwiderte Fleur. »Er soll endlich Leitungen im ganzen Haus legen lassen. Es ist auch für uns Mieter lästig, wenn man nur in der Conciergerie telefonieren kann.«
    Fleur war aufgeregt und überlegte lange, was sie anziehen sollte. Es war das erste Mal, dass sich Patrice mit ihr in einem Restaurant treffen wollte. Bedeutete es, dass er mit seiner Frau gesprochen, ihr von Fleur, seiner großen Liebe, erzählt hatte?
    Fleur zählte die Stunden, bis sie endlich ein Taxi rufen und zur Place des Ternes fahren konnte.
    Patrice erwartete sie an einem Tisch hinter einer Marmorsäule. »Hier laufe ich keinem von meinen Freunden oder meiner Familie über den Weg«, erklärte er bei der Begrüßung, und Fleurs Freude verflog.
    Patrice wirkte extrem nervös, zündete sich eine Zigarette an und drückte sie sofort wieder aus. Kaum hatte er bestellt, griff er nach Fleurs Hand.
    »Georges sagte mir, dass du bei Jeanne Lanvin einen wichtigen Termin hast platzen lassen. Hoffentlich nicht meinetwegen.« Er schien besorgt.
    »Doch, das war an dem Tag, als wir in die Normandie fuhren. Es war mir nicht so wichtig.«
    »Das hättest du mir sagen müssen, das konnte ich doch nicht ahnen! Fleur«, seine Stimme wurde eindringlich, »du darfst deine Karriere nicht wegen mir vernachlässigen, hörst du?«
    »Ich denke nicht, dass ich das tue.« Doch dann setzte sie hinzu: »Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, ich habe Angst davor, wieder in diesen Kreislauf zu geraten: Diäten, Pillen, die anstrengenden Aufnahmen …«
    »Aber das ist doch dein Beruf!«, unterbrach Patrice sie. »Damit verdienst du Geld, viel Geld. Aber du darfst dich nicht mit Aufputschmitteln und Drogen vollpumpen lassen! Werde erwachsen, Fleur, entscheide selbst, wie du leben willst! Sport und eine ausgeklügelte Diät reichen aus. Du bleibst gesund und kannst deinen Beruf ausüben. Du musst dich nicht so manipulieren lassen, wie das in den vergangenen Jahren durch Georges passiert ist.«
    Patrice’ Stimme klang ernst und besorgt, als er ihre Hände mit seinen Fingern umschloss. Für einen Moment schwieg er, und Fleur spürte, dass es nicht ihre Karriere war, die ihn beschäftigte. Instinktiv zog sie ihre Hand weg, und Patrice lehnte sich auf dem roten Ledersofa zurück. Nervös griff er nach seinem Glas, trank aber nicht, sondern stellte es wieder auf den Tisch.
    »Die Tage in der Normandie waren sehr schön, Fleur, und ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Das ist die Wahrheit, aber, wie gesagt, ich will nicht, dass du dein Leben für mich aufgibst. Ich bin verheiratet, und das darfst du nicht vergessen … Ich muss dir leider noch etwas sagen …« Er machte eine kleine Pause, nahm ein Stück Brot und zerbröselte es nervös auf seinem Teller.
    »Was meinst du?«, fragte Fleur

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