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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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ihr. Sie hatte Fleur anders in Erinnerung. »Ein nächstes Shooting für uns wird es erst geben, wenn Sie Ihre alten Maße wiederhaben«, erklärte sie.
    Auf dem Heimflug versuchte Fleur, ihre peinigenden Zukunftsängste zu verdrängen. Zwar hatte ihre Agentin sie wieder in die Kartei aufgenommen, doch nur mit der Auflage, die vier überflüssigen Kilos so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Fleur hatte es ihr versprochen, obwohl sie wusste, dass sie dieses Ziel nicht erreichen konnte. Zutiefst verzweifelt hatte sie nicht preisgegeben, was sie seit einigen Tagen wusste: Sie war schwanger.
    Gegen Abend landete sie auf dem Flughafen Roissy. Im Taxi nach Hause kämpfte sie gegen Müdigkeit, Übelkeit und tiefste Verzweiflung an. Wie sollte es weitergehen, wie konnte sie die Zukunft bewältigen? Als der Wagen vor dem Haus in der Rue de Rennes hielt und sie ausstieg, erschien Ginette an der Tür. Offensichtlich hatte sie auf Fleur gewartet.
    »Monsieur Patrice hat angerufen, du sollst heute Abend um acht Uhr in die Brasserie kommen. In welche, hat er nicht gesagt.« Nachdem sie die Freude auf Fleurs Gesicht gesehen hatte, fügte sie spöttisch hinzu: »Du musst wissen, wie du dein Leben verpfuschst. Mir kann es ja egal sein.«
    Als Fleur sich rasch umzog, schien die Müdigkeit verflogen. Patrice wollte sie sehen! Sie wusste, welches Restaurant er gemeint hatte: die Brasserie Lorraine. Das war ein gutes Zeichen. Sicher wollte er ihr etwas sagen. Es konnte auch nur bedeuten, dass er Sehnsucht nach ihr hatte.
    Es war noch ein ungewöhnlich warmer Abend, und so entschied sich Fleur für ein rotes Chiffonkleid, das sie bei einem Shooting getragen und anschließend gekauft hatte. Es war schulterfrei, nur ein asymmetrischer Träger hielt das enge, in kleine Fältchen gelegte Bustier. Bei den Aufnahmen hatte man das Kleid noch hinten zusammenstecken müssen, da es ihr zu weit gewesen war. Jetzt passte es, denn obwohl man ihr die Schwangerschaft noch nicht ansah, waren ihre Brüste bereits voller geworden. Der wadenlange, weite Rock umspielte beim Gehen ihre Beine, bauschte sich ein wenig und zeichnete die Konturen des Körpers nach. Es war ein gewagtes Kleid, vor allem für die Brasserie, doch Fleur wollte an diesem Abend besonders schön sein.
    Als das Taxi an der Place des Ternes hielt, sah sie Patrice bereits am versteckten Tisch hinter der Marmorsäule sitzen.
    »Hallo Fleur,
comment ça va?
«, rief der Kellner ihr wieder zu, der zu dieser Jahreszeit hinter einem langen Tisch stand, auf dem jetzt wieder in großen Körben Austern und Muscheln angeboten wurden.
    Patrice erhob sich sofort, als er Fleur kommen sah. Er wollte sie zur Begrüßung umarmen, doch sie wich der Berührung aus und setzte sich auf das abgewetzte rote Sofa neben ihn. Er bestellte Austern und Champagner, aber beim Anblick der Austern befiel Fleur eine heftige Übelkeit. Am Champagner nippte sie, musste aber gegen ihren starken Widerwillen gegen Alkohol ankämpfen. Sofort stellte sie das Glas auf den Tisch zurück.
    »Wie schön du bist, Fleur«, flüsterte Patrice ihr ins Ohr und schob mit einer zärtlichen Bewegung eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Ich glaube, du wirst von Mal zu Mal schöner, falls das überhaupt möglich ist.« Er nahm ihre Hände und drückte kleine Küsse auf die Innenseite.
    »Ich hatte so große Sehnsucht nach dir«, schmeichelte er. »Ich habe unsere letzte gemeinsame Nacht nicht vergessen können.«
    »Warum hast du dich dann nie gemeldet?«, fragte sie und sah ihm direkt in die Augen. Auch Patrice sah gut aus, er war braungebrannt und wie immer elegant gekleidet in einen dunklen Anzug und ein hellblaues Hemd, das die Farbe seiner Augen betonte.
    »Warum willst du mich sehen?« Fleurs Herz klopfte. War jetzt der richtige Moment, um ihm von der Schwangerschaft zu erzählen? Doch sie wollte zuerst wissen, warum er sie eingeladen hatte.
    »Ich muss zu einem Ärztekongress nach Cannes, und ich dachte, ich nehme dich mit, wenn du willst, natürlich. Eine Woche Côte d’Azur, klingt das nicht wunderbar?«, fügte er hinzu, da Fleur nicht sofort antwortete.
    Fleur fühlte den tiefen Stich maßloser Enttäuschung. Es hatte sich nichts geändert, er wollte einfach nur eine Gelegenheit nutzen, um mit ihr ein paar Nächte zu verbringen.
    »Liebst du mich?« Fleur sah ihn ernst und forschend an. »Ich meine, liebst du mich wirklich?«, fragte sie leise, und da beugte sich Patrice zärtlich zu ihr, schlang den Arm um sie und

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