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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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beunruhigt.
    »Ich habe es mir nicht leichtgemacht, glaube mir«, begann er, und aus Fleurs Unruhe wurde Angst.
    »Morgen früh werde ich für einige Wochen an die Côte d’Azur fahren, mein Schwiegervater besitzt dort eine Villa. Die ganze Familie ist schon dort.« Unsicher sah Patrice sie jetzt an und fuhr sich nervös durch seine dichten blonden Haare.
    »Du gehst mit mir aus, um mir das zu sagen?«
    »Ich bleibe nur vier Wochen«, fuhr er fort, offensichtlich erleichtert, dass Fleur die Nachricht scheinbar ruhig aufnahm. »Weißt du, Fleur, meine Frau hat gespürt, dass ich sie betrüge, und so habe ich ihr die Wahrheit über uns beide gesagt. Ich musste ihr einfach versprechen, mich von dir zu trennen. Und jetzt machen wir eine zweite Hochzeitsreise, das hat sie vorgeschlagen. Mir bleibt ja keine andere Wahl«, fügte er noch hastig hinzu. »Bitte, Fleur, versteh mich!«
    Fleur blieb immer noch ruhig, doch sie fühlte sich leer und verstört. Gleichzeitig empfand sie große Wut, aber auch Mutlosigkeit und Selbstverachtung. Ginette hatte recht gehabt: Sie bedeutete ihm nichts. Er hatte bloß seinen Spaß mit ihr haben wollen, und sie war darauf eingegangen.
    »Weißt du«, fuhr Patrice beunruhigt fort, da Fleur immer noch schwieg, »in meiner Ehe geht es doch schon lange nicht mehr um Liebe, so wie wir sie erlebt haben, du und ich, Fleur. Es geht um andere Dinge: unsere Tochter und die Zusammengehörigkeit unserer Familie. Meine Frau hat immer zu mir gestanden.«
    »Ich will es nicht wissen, hör auf!«
    Fleur sprang auf, griff nach ihrem Täschchen und rannte aus dem Lokal. Draußen musste sie sich erst einen Weg durch die Leute bahnen, die vor der Brasserie warteten, um einen Tisch zu bekommen.
    »Hallo Fleur,
comment ca va?
«, grüßte sie ein Kellner auf der Terrasse eilig, bevor er mit einem Stapel Teller im Restaurant verschwand. Er kannte sie von einem ihrer letzten Fotoshootings, das hier gemacht worden war. Georges hatte sie unter der roten Markise vor den hohen Körben mit Muscheln und Austern fotografiert.
    Sie reagierte kaum auf den freundlichen Gruß des Kellners und blieb wie betäubt stehen. Ihr Atem ging schnell, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Komm, ich bring dich heim.« Patrice tauchte neben ihr auf und nahm sie am Arm. Bevor sie widersprechen konnte, schob er sie auf der Straße weiter zu seinem Auto, und sie ließ es zu.
    Während der Fahrt nach Hause blieb sie stumm. Sie hatte ihr Gesicht abgewandt und starrte zum Fenster hinaus, als sie die Avenue Wagram hochfuhren und am angestrahlten Arc de Triomphe vorbei in die Champs-Elysées einbogen. Einmal warf sie einen kurzen Seitenblick auf Patrice. Sein Gesicht war angespannt und blass, doch auch er blieb stumm.
    »Ich begleite dich noch«, erklärte er, als sein Wagen vor ihrem Haus hielt. Ginette war nicht mehr in ihrer Loge, und Fleur ging die Treppe in den vierten Stock voraus. Als sie die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss, sah sie Patrice an. Jetzt war der Moment der Trennung gekommen. Sie spürte, wie sich ihr Herz zusammenzog und Tränen der Verzweiflung über ihre Wangen liefen. Patrice stand ihr schweigend gegenüber, bevor er zögernd seine Hände um ihre Taille legte. Er zog Fleur an sich, und sie spürte seine Erregung, als sein Atem schneller ging und er plötzlich fordernd zupackte. Und Fleur wehrte sich nicht. Während Patrice sie bereits küsste, machten sie ein paar Schritte in die Wohnung hinein, und er drückte mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. Fleur dachte nicht mehr nach. Sie dachte nicht an die Zukunft, nicht an die Vergangenheit, nicht an das, war er ihr soeben im Restaurant gesagt hatte. Es gab nur die Gegenwart und das verzehrende Gefühl von Leidenschaft. Noch nie hatte Fleur sich so erlebt, noch nie so empfunden, nie gewusst, wie es war, wenn der Körper sich auflöste in Ekstase und Lust. Jetzt gab es nur noch Patrice und sie auf dem breiten Bett.
    *
    Fleur bewegte sich nicht und hielt ihre Augen geschlossen. Doch durch die Lider hindurch sah sie, dass Patrice sich hastig und leise anzog, um sie nicht zu wecken. Bis zu dem Moment, als er vorsichtig die Tür öffnete, hoffte sie noch, er würde sie in die Arme nehmen und sagen, alles werde gut. Doch Patrice schlich sich verstohlen aus ihrem Bett und auch aus ihrem Leben, denn sie hörte nichts mehr von ihm.
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