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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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wenig«, hörte sie Jean hinter sich sagen. Automatisch folgte sie seiner Anweisung und wandte ihr Gesicht zur Seite. Sie hörte, wie er die Kamera vom Tisch nahm und fotografierte.
    »Ich bin nicht geschminkt, und ich mag nicht, dass du mich so fotografierst«, protestierte sie schwach.
    Doch Jean beachtete ihren Einwand nicht, sondern machte weiter. »Lass den Bademantel von den Schultern fallen, bis unter die Taille, nicht mehr. Du hast einen wunderschönen Rücken, und dann dieses weiche graue Licht dazu. Phantastisch! Jetzt das Gesicht zu mir, aber dreh dich nicht um! Schenk mir ein Lächeln. Ja, Darling, ja!«
    Bérénice verkniff sich ein Lachen. Jean hielt seine Kamera vors Gesicht und ging dabei mit steifem Rücken ein wenig in die Knie, während er ihr weitere Anweisungen gab. Dann senkte er abrupt die Kamera.
    »So. Ich hab’s. Das werden großartige Bilder, glaube mir!« Er packte seine Kamera vorsichtig ein, kam zu Bérénice und umschloss sie mit seinen Armen.
    »Ich liebe den Gare Saint-Lazare«, erzählte er. »Ich muss nur die Straße überqueren und kann mich jederzeit in den Zug nach Deauville setzen.«
    »Und? Machst du das oft?« Bérénice wurde neugierig.
    »Nie«, gab Jean zu und lächelte strahlend. »Aber ich könnte es tun. Das ist es. Außerdem gefällt mir der Bahnhof. Der Architekt Jules Lisch hat ihn für die Weltausstellung 1889 vergrößert und so gestaltet, wie er heute ist. Er ist schön, findest du nicht?«
    »Doch, ja, er ist sehr schön«, bestätigte Bérénice.
    Jean ließ sie los, und sie ging nach hinten, um sich rasch anzuziehen. Als sie zurückkam, stand Jean bereits ungeduldig an der offenen Tür des ehemaligen Lastenaufzugs, der direkt in das Loft heraufführte.
    »Früher habe ich an der Place des Vosges gewohnt«, erzählte er, während sie nach unten fuhren. »Aber die Wohnung war mir zu klein, und die Leute im Haus, die ganze Atmosphäre dort waren mir einfach zu bourgeois.«
    Bérénice lächelte ironisch. Bourgeois, das war sein Ausdruck für alles, was ihn einengte und ihm unbehaglich war.
    »Warum hast du mir das nicht erzählt, als wir dort spazieren gingen?«, wollte sie wissen, bekam aber nur ein Schulterzucken als Antwort.
    Vor dem Haus wartete bereits ein Wagen auf Jean. Er verabschiedete sich unkonzentriert mit einem gehauchten Kuss auf Bérénice’ Wange, stieg ein und winkte ihr noch kurz zu. Sie sah dem dunklen Mercedes nach, der ihn zum Flughafen Charles de Gaulle bringen sollte, dann überquerte sie die Straße und reihte sich in die lange Schlange derer ein, die vor dem Gare Saint-Lazare auf ein Taxi warteten. Es dauerte eine halbe Stunde, bis sie an die Reihe kam.
    Auf der Fahrt nach Hause wühlte sie hektisch in ihrer Tasche nach dem Handy, bis ihr plötzlich einfiel, dass es wahrscheinlich noch in ihrer Wohnung auf dem Tisch lag. Sie hatte ihre Tasche für das Wochenende mit Jean nervös und in Hektik gepackt. Sicher hatte Tom Morton, Maximes Designer für die Taschen, schon mehrmals versucht, sie zu erreichen. Bérénice beugte sich zum Fahrer vor: »Können Sie bitte schneller fahren, ich habe es eilig.«
    »Wer nicht«, brummte der Fahrer unfreundlich und zeigte hinaus auf den dichten Verkehr. Ungeduldiges Autohupen änderte nichts daran, dass auf dem Boulevard Haussmann nichts mehr voranging und es früher Nachmittag wurde, bis das Taxi endlich vor ihrem Haus hielt. Sie bezahlte und war erleichtert, dass sie wenigstens ihr Portemonnaie sofort fand.
    Rasch stieg sie aus und lief ins Haus, vorbei am Briefkasten, aus dessen Schlitz Werbung quoll. Schnell öffnete sie ihn. Als sie die vielen Prospekte fast achtlos in den Korb unter den Kästen warf, entdeckte sie gerade noch einen Brief ihrer Mutter. Denise hatte ihr noch nie einen Brief geschrieben, nicht einmal an Geburtstagen oder Weihnachten. Verwundert steckte sie ihn ein und stieg die vier Stockwerke zu ihrer Wohnung hinauf.
    Kaum hatte sie aufgesperrt, läutete das Telefon. Bérénice nahm ab und klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter, während sie ihre Tasche fallen ließ und den Brief ihrer Mutter auf den Tisch legte. Es war nicht Tom Morton, der sich über ihre Unzuverlässigkeit beschweren wollte, sondern es meldete sich das Städtische Krankenhaus Saint-Emile.
    »Madame Mouret? Endlich! Seit gestern Mittag versuchen wir, Sie zu erreichen. Einen Moment, Dr. Passot will Sie sprechen.« Es klickte, und sanfte Klaviermusik ertönte, dann eine Stimme, die Bérénice versicherte,

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