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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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was man vergisst, hat nie stattgefunden? Machst du es dir nicht zu leicht?«, schrie sie noch, obwohl er bereits in den Pick-up stieg.
    »Du hast mich falsch verstanden«, rief Hippolyte. »Ich meinte die Vergangenheit mit deiner Mutter und auch alles mit Fleur, einfach alles.«
    Er knallte die Wagentür zu, fuhr los und wandte sich nicht mehr nach ihr um.
    Langsam ließ sich Bérénice auf die Bank fallen. Sie sollte vergessen. Doch sie konnte es nicht. Und plötzlich wusste sie, Hippolyte konnte es auch nicht.
    *
    Hippolyte raste die Bergstraße hoch und achtete nicht auf die Steine, die unter seinen Reifen links und rechts wegsprangen. Dann bremste er scharf, fuhr an den Wegrand und kletterte aus dem Wagen. Auf dem Beifahrersitz lagen Marie-Luises Zigaretten. Hippolyte rauchte seit zehn Jahren nicht mehr, doch jetzt griff er nach der Packung, zog eine Zigarette heraus und zündete sie sich an. Du Idiot!, beschimpfte er sich selbst. Du verdammter Idiot!
    Bérénice brauchte seine Hilfe. Er aber hatte nichts Besseres zu sagen gewusst als den dummen Satz: Du musst die Vergangenheit vergessen! Und den hatte Bérénice auch noch falsch verstanden.
    Er hatte ihr raten wollen, endlich mit Denise abzuschließen und zu erkennen, dass sie niemals frei sein würde, solange sie sich von ihrer Mutter manipulieren ließ. Aber er hatte niemals gewollt, dass Bérénice das Wochenende im Oktober vergaß, diese Nacht, die seit damals seine Gedanken und seine Gefühle beherrschte, als er endlich die Barriere niedergerissen hatte, die vier Jahre lang zwischen ihnen stand.
    Auch für sie schien diese Nacht von Bedeutung gewesen zu sein, doch sie hatte in Paris eine neue Liebe gefunden. Eine Affäre, wie sie sagte, aber das konnte er nicht glauben. Bérénice und eine Affäre, das passte nicht zusammen. Er sollte sich freuen, dass Bérénice offenbar glücklich war, aber das war ihm nicht möglich.
    Hippolyte warf die angerauchte Zigarette auf den Boden und zertrat sie. Dann stieg er wieder in seinen Pick-up, aber er fuhr nicht los.
    Er hatte damals mit Marie-Luise gesprochen und ihr alles erzählt. Sie hatte ihn verstanden und ihn nicht verlassen. Sie war davon ausgegangen, dass es ein einmaliger Ausrutscher gewesen war, eine Reminiszenz an die Vergangenheit.
    Hippolyte lachte bitter auf. Eine Reminiszenz an die Vergangenheit! Und offenbar auch für Bérénice nichts als eine sentimentale Erinnerung. Er war damals bereit gewesen für einen Neuanfang, doch sie anscheinend nicht. Denn hätte sie ihn sonst nicht angerufen?

[home]
    15
    Februar 2002
Paris
    D er Umbau für die Show lief auf Hochtouren. Dieses Mal fand sie in den eigenen Räumen statt und nicht wie sonst im Palais Royal. Das Geschäft wurde vorübergehend geschlossen, die Schaufenster verhängt, und niemand außer den Mitarbeitern kam an dem Bodyguard vorbei, den Maxime am Eingang postiert hatte. Bérénice saß ein wenig abseits der Hektik und sah der PR -Chefin zu, die mit ihrer Assistentin an den Stuhlreihen entlanglief, die Sitzordnung durchsprach und mit Klebeband die Namenskärtchen an den Sitzen befestigte. Dieses Mal hatten sich auch die Chefredakteurinnen der amerikanischen, der englischen und der chinesischen Ausgabe der
Vogue
avisiert. Auf Junes Einladung hin rechnete man mit einem Dutzend reicher junger Erbinnen, It-Girls aus Europa und Amerika, aber keine hatte eine feste Zusage gemacht. Das große Medieninteresse war durch die Ankündigung des Hauses Malraux entstanden, Maxime wolle seine Klassiker in neuer Interpretation zeigen. All seine sensationellen Entwürfe, getragen von Filmstars in großen Hollywood-Produktionen, die Kreationen, die ihn vor Jahren weltberühmt gemacht hatten. Maxime nannte diese Gruppe der Show
Symphonie Classique
und wollte sie zur entsprechenden Musik von Sergej Prokofjew zeigen, doch dann einigte man sich auf Mozart.
    Die Probe lief, Scheinwerfer wurden ein- und abgeschaltet, die Musik an- und abgestellt, es wurde gestritten, bis der Choreograph mit den Models die Schritte und den Ablauf ohne Begleitmusik einstudierte. Bérénice gefiel der puristische Rahmen in Weiß, der mit Buketts aus Lilien ergänzt werden sollte. Während sie der Probe zusah, ließ sie den Eingang nicht aus den Augen. Maxime hatte ihr für heute ein Gespräch zugesagt. Obwohl schon seit Stunden geprobt wurde, war der Designer noch nicht aufgetaucht.
    »Kennst du die neuesten Gerüchte?« Cathérine stellte sich neben sie. »Ab nächster Saison wird die

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