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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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ist eine lange Geschichte«, antwortete sie. »Eigentlich will ich nicht darüber reden.« Sie hatte keine Lust, mit Maxime über ihre Familie zu sprechen.
    »Nun«, Maxime überging ihre Antwort und sprach weiter, »ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass Fleur und ich befreundet waren. Wir wohnten sogar einige Zeit zusammen. Doch dann kam es zu einem Streit, und irgendwann hörte ich, dass sie Paris verlassen hatte. Ein paar Wochen später rief mich der Besitzer ihrer Wohnung an. Er wollte wissen, was er mit ihren persönlichen Sachen machen soll, denn er beabsichtigte, die Wohnung zu verkaufen. Er war ein deutscher Industrieller und Fleurs Freund. Ich bot ihm meine Hilfe an und informierte Fleurs Schwester. Bei meinem Anruf erschrak sie, geriet sogar in Panik. Sie wollte die Sachen auf keinen Fall haben.«
    »Woher kannten Sie die Telefonnummer meiner Mutter?« Bérénice hatte angespannt zugehört.
    »Irgendwann hat Fleur sie mir gegeben, als wir noch zusammen in der Dachwohnung lebten.«
    »Und dann?«
    »Ich kaufte dem Deutschen die Wohnung ab. Vor der Renovierung bat ich meine damalige Haushälterin, die wenigen Sachen von Fleur in einen großen Schrank zu packen, falls sie zurückkäme. Nun, vielleicht wissen Sie, dass ich diese Wohnung in der Rue Saint-Honoré meinen Freunden zur Verfügung stelle, wenn sie Paris besuchen. Doch das wird mir jetzt zu viel, und ich will die Wohnung verkaufen. Hier.«
    Jetzt drückte Maxime Bérénice die Schlüssel in die Hand. »Die Sachen Ihrer Tante befinden sich in dem kleinen Ankleidezimmer. Meine Haushälterin Josephine, die sich auch um die Wohnung kümmert, pflegt die Sachen und hält sie in Ordnung. Es ist nicht viel, aber …«
    »Was sind das für Sachen?«
    Müde zuckte Maxime mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, ich habe mich nicht darum gekümmert. Was ich weiß, ist, dass in dem Schrank einige original Couture-Kleider aus den fünfziger Jahren hängen, Dior, Balenciaga, Givenchy. Neulich ließ ich sie einer Freundin von mir zeigen, sie leitet das kleine Musée de la Haute Couture an der Rive Gauche. Sie war begeistert. Ich denke, Bérénice, es wäre das Beste, wenn Sie diese Kreationen dorthin geben. Aber das müssen natürlich jetzt Sie entscheiden.«
    Bérénice sah auf die Schlüssel in ihrer Hand.
    »Haben Sie nie nach Fleur gesucht, sich nach ihr erkundigt?«
    Sie hob ihr Gesicht und sah Maxime fest in die Augen. »Sie sagen doch, Sie waren befreundet.«
    »Ja, das ist richtig«, erwiderte Maxime, »aber wir hatten keinen Kontakt mehr, und wissen Sie, ich stand damals am Anfang meiner internationalen Karriere, und da … Nun«, unterbrach er sich, »wie ich schon sagte, habe ich wenig Zeit.«
    Er holte aus der Tasche seines dunklen Anzugs eine Visitenkarte und übergab sie Bérénice:
Mme Béatrice Bellier. Musée de la Haute Couture.
    »Das ist die Chefin des Museums. Bitte setzen Sie sich, wenn Sie sich entschieden haben, bald mit ihr in Verbindung, ich möchte den Verkauf der Wohnung so schnell wie möglich abschließen.«
    »Ja, natürlich.« Bérénice’ Herz klopfte, und ihre Kehle war ausgetrocknet, als ihre Finger den Schlüsselbund fest umschlossen.
    »Nach der Show werden wir uns ausführlicher unterhalten, das verspreche ich Ihnen.«
    Maxime berührte leicht ihre Hand und raffte sich zu einem müden Lächeln auf. Dann klopfte er ungeduldig an die Fensterscheibe. Alain lief um den Wagen herum und öffnete für Bérénice die Tür.
    »Danke«, sagte sie, zu Maxime gewandt. »Danke, dass Sie Fleurs Sachen aufbewahrt haben.«
    »Ich habe Fleur geliebt«, antwortete Maxime leise, ohne Bérénice anzusehen. »Auf meine Art habe ich Fleur geliebt.«
    *
    Die Tür zur Wohnung in der Rue Saint-Honoré klemmte, als Bérénice sie aufschließen wollte. Sie musste heftig dagegendrücken, bevor sie aufsprang.
    Hier also hatte Fleur vor vielen Jahren gelebt. Fleur, ihre Tante, deren Existenz Denise über Jahrzehnte geheim gehalten hatte. Fleur, das schöne Mannequin, die geheimnisvolle Frau, die verschwand und von niemandem vermisst wurde.
    Es war still und kalt in der Wohnung, und Bérénice ging auf Zehenspitzen durch die Räume. Doch sehr schnell wurde ihr klar, dass hier nichts mehr an Fleur erinnerte. Was hatte sie auch erwartet? Die drei großen Räume waren elegant eingerichtet und ähnelten mehr einer Suite in einem Luxushotel. Bérénice warf einen kurzen Blick in die perfekt eingerichtete Küche und das anschließende kleine Esszimmer.

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