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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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gestern trugen, war Fleurs Kleid, nicht wahr?«, fragte er. Als sie bejahte, lächelte er. Eine Pause entstand, und jeder suchte nach den richtigen Worten.
    »Sie arbeiten mit Maxime Malraux zusammen?«
    Bérénice nickte nur. Der Hals tat ihr weh, und sie fröstelte, sicher bekam sie Fieber.
    Sie wandte den Kopf zur Seite und sah den Regentropfen zu, die an den Scheiben der Glasveranda herunterliefen und nur einen verschwommenen Ausblick auf den Boulevard des Capucines ermöglichten.
    »Jetzt regnet es richtig heftig«, brachte sie mühsam hervor, »und ich habe keinen Schirm dabei.«
    »Ich kann Sie heimfahren«, schlug Patrice vor.
    »Ich kann auch ein Taxi nehmen.« Bérénice reagierte ablehnend. Nur keine schnelle Annäherung, das hatte sie sich vorgenommen. Sie dachte an den Brief in ihrer Tasche, Fleurs Brief an Patrice, den sie nie abgeschickt hatte. Bérénice hatte ihn zu Hause spontan in ihre Tasche gesteckt. Er war für Patrice bestimmt, also sollte sie ihm den Brief auch geben. Doch sie zögerte, wollte ihn behalten, denn es gab so wenig, was sie an ihre Mutter erinnerte.
    »Und jetzt haben Sie sich also mit Adrienne versöhnt?«, fragte sie höflich, ohne wirkliches Interesse.
    Patrice lachte kurz auf. »Irgendwie schon oder auch nicht. Bei Adrienne weiß man das nie so genau. Aber ich bin alt, und ich möchte keine Feindschaften mehr. Georges Bonnet war mein bester Freund«, begann er zu erzählen, »aber wegen Fleur kam es zum Bruch. Zuerst, weil er ihr verbotene Aufputschmittel gab, und dann …«
    »Was dann?«, fragte Bérénice, da er schwieg.
    »Georges war eifersüchtig. Er sah in Fleur sein Geschöpf, niemand durfte sie ihm wegnehmen. Ich bemerkte das nur nicht sofort. Eines Tages erzählte ich ihm, dass ich mit Fleur in die Brasserie Lorraine gehen würde, da lauerte er uns auf, fotografierte uns, ohne dass wir ihn erkannten, und gab das Foto an die Presse weiter. Ja, und das war dann das Ende meiner Beziehung mit Fleur, weil ich … nun, ich will Sie jetzt nicht langweilen.«
    Er ist feige, er will nicht gestehen, dass er verheiratet war und dass er von Fleur die Abtreibung verlangt hat, dachte Bérénice enttäuscht. Sollte sie ihm sagen, dass sie einige Details dank des Briefes kannte? Doch sie schwieg.
    »Nachdem ich Georges’ Urheberschaft erfahren hatte, brach ich den Kontakt zu ihm ab. Als ich ihn vor dem Ritz zufällig traf, stellte ich ihn zur Rede, da rastete er aus, schlug mich, und wir prügelten uns. Das hat dann ein Paparrazzo auf einem Foto festgehalten.«
    »Haben Sie Fleur geliebt?«
    Bérénice biss sich verärgert auf die Lippen. Keine emotionalen Fragen, hatte sie sich vorgenommen, bevor sie hierherkam.
    Patrice sah sie nicht an, er lächelte und rührte wieder mit dem kleinen Löffel in seiner Tasse. »Ich habe mich sofort in Fleur verliebt, in ihre Schönheit, die Zartheit, die sie ausstrahlte, die Unberührtheit. Ich war Fleurs erste Liebe. Sie war so lebendig, so …« Er suchte nach dem richtigen Wort.
    »Und Sie wollten sie zur Abtreibung zwingen«, unterbrach ihn Bérénice.
    »Ja, ja, das ist richtig«, gab er offen zu, »und ich bin nicht stolz darauf.«
    Er nahm ein kleines Päckchen Zucker aus der Dose, zögerte in der Bewegung und steckte es wieder zurück. Er hatte schöne, schmale Hände, und er trug keinen Ehering.
    »Ich hatte nicht den Mut, mich zu ihr zu bekennen«, gestand er schließlich. »Ich wollte meine Ehe nicht aufs Spiel setzen, und ich brauchte die Sicherheit, die mir meine Familie gab. Dazu kam mein großer Ehrgeiz«, erzählte er weiter, als Bérénice schwieg. »Ich wollte die Klinik meines Schwiegervaters übernehmen, ich hatte Visionen, Pläne. Als sein Nachfolger wollte ich in der Medizin neue Wege gehen und Außergewöhnliches leisten.«
    »Und deswegen haben Sie Fleur im Stich gelassen.«
    »Ja«, antwortete er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Ich könnte Ihnen jetzt sagen, dass ich bei dieser Entscheidung auch an Fleur gedacht habe, an ihre Karriere, die sie hätte aufgeben müssen, aber das stimmt nicht. Ich dachte nur an mich und meine Interessen.« Wieder richtete Patrice seine tiefblauen Augen auf Bérénice. »Aber ich konnte sie nicht vergessen. Irgendwann las ich in der Zeitung, dass Fleur Déschartes mit einem deutschen Wirtschaftsboss liiert war, sie schien glücklich zu sein.«
    »Glauben Sie, dass sie ihn geliebt hat?«
    »Woher soll ich das wissen? Ich denke, sie mochte und brauchte ihn. Er gab ihr Sicherheit

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