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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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auf sie zukamen, wenn Denise in das Seniorenheim einzog. Aber konnte sie es zulassen, dass Denise in das alte, düstere Haus ihrer Mutter Joselle zurückging, vielleicht noch einmal Tabletten schluckte, um ein Zeichen zu setzen, wie einsam sie war? Oder eines Tages sogar daraus Ernst werden ließ?
    Bérénice sah sich um. Auf Jean wollte sie nicht mehr warten. Sie wollte einfach nur nach Hause und sich einen heißen Tee kochen.
    Von der Küchentür aus sah sie den weißhaarigen Mann immer noch neben Adrienne stehen. Jetzt spürte er ihren Blick und sah zu ihr herüber. Doch sie reagierte nicht, sondern kämpfte sich durch die Leute dem Ausgang zu. Sie winkte Adrienne noch kurz zu, die ein wenig schwankte und sich am Arm eines Besuchers festhielt. Mit der anderen Hand ergriff sie bereits ein neues Glas Champagner, während ihre Stimme lauter und ihr Lachen schriller wurde.
    Als sich Bérénice am Ausgang ihren Mantel geben ließ, stand der Weißhaarige plötzlich neben ihr.
    »Madame Mouret?«
    »Ja?« Warum fing ihr Herz plötzlich zu rasen an?
    Einen Moment, einen langen Moment sah der Mann sie stumm an, dann flüsterte er: »Fleur, Fleur.«
    Bérénice schien es, als weiche der Raum mit den vielen Leuten plötzlich zurück. Sie bewegte sich nicht, und sie sagte auch nichts, und doch wusste sie, wem sie gegenüberstand: Patrice Chaubert, ihrem Vater.
    *
    Er hatte Bérénice um ein Treffen gebeten. Schon von weitem sah sie ihn unruhig vor dem Café de la Paix auf und ab gehen. An der Ampel blieb sie kurz stehen. Noch konnte sie in der Metrostation verschwinden, denn er hatte sie noch nicht bemerkt. Doch er schien ihren Blick zu spüren, blieb stehen und winkte ihr. So überquerte sie die Straße und ging auf ihn zu.
    »Schön, dass Sie gekommen sind«, sagte Patrice steif und hielt ihr die rechte Hand hin, die sie nur kurz berührte. »Ich war mir nicht sicher.«
    »Ich habe auch nicht viel Zeit«, erklärte sie, als sie zusammen das Café betraten und von einem Kellner zu einem kleinen Tisch auf der verglasten Terrasse geführt wurden.
    »Es fängt zu regnen an«, begann Patrice eine ungeschickte Unterhaltung, nachdem er Bérénice aus dem Mantel geholfen und sie sich auf das Sofa gesetzt hatte. Er zog den Stuhl näher an den Tisch heran und rief den Kellner.
    »Was möchten Sie?«
    »Einen Tee. Ich habe mich gestern erkältet.«
    »Das tut mir leid.«
    Sie blieben einsilbig, bis der Kellner den doppelten Espresso für Patrice und ihren Tee servierte.
    »Wieso sind Sie zur Ausstellung gekommen?«, wollte Bérénice wissen, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte.
    »Ich hatte das Poster gesehen und Ihre Ähnlichkeit mit Fleur bemerkt. Dann rief mich auch noch Adrienne Bonnet an. Sie müssen wissen, wir hatten seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr, und ihr Anruf allein war schon eine Sensation. Sie schlug mir eine Versöhnung vor, und die beste Gelegenheit dazu sei ihre neue Ausstellung des Fotografen Jean Bergé. Sie versprach mir eine Überraschung.«
    »Und dann sind Sie gekommen.«
    »Ja, natürlich. Adrienne hatte mich neugierig gemacht. Und als sie mich begrüßte, flüsterte sie mir als Erstes ins Ohr, Sie seien Fleurs Tochter.«
    Bérénice war zu müde, um wütend auf Adrienne Bonnet oder Jean zu sein. Sie fühlte sich wie zerschlagen, und ihre Halsschmerzen verstärkten sich.
    »Als ich im Herbst in der Petite Galerie des Arts war, sprachen wir über Fleur. Adrienne erwähnte Sie kurz, hatte aber Ihren Nachnamen vergessen«, erzählte Bérénice.
    Mit einem kurzen Auflachen antwortete Patrice: »So war Adrienne schon immer. Was ihr nicht passt, vergisst sie, oder sie kann sich gerade nicht daran erinnern.«
    Er trank seinen Espresso mit einem Schluck aus und bestellte beim Kellner sofort einen zweiten.
    Bérénice beobachtete ihn. Wie alt mochte er sein? Achtzig? Patrice war schlank und wirkte immer noch sportlich. Seine weißen Haare betonten die leicht gebräunte Haut und das intensive Blau seiner Augen.
    Sie konnte es kaum glauben, sie saß ihrem Vater gegenüber: Patrice Chaubert. Doch er war ein Fremder, ein Mann, der nicht gewollt hatte, dass sie geboren wurde. Der ihre Mutter verlassen hatte.
    Patrice rührte Zucker in seinen Espresso, und als er Bérénice’ Blick spürte, sah er hoch. Waren es diese tiefblauen, forschenden Augen gewesen, die Fleur als Erstes fasziniert hatten? Wie hatte er sie angesehen, als er ihr sagte, dass er sie liebte? Hatte er sie geliebt?
    »Das rote Kleid, das Sie

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