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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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sprechen, sie musste es ihm erzählen. Sie kramte nach einem Taschentuch, wischte sich die Tränen ab und griff dann entschlossen nach dem Hörer. Angespannt lauschte sie dem Klingeln. Doch auf dem Weingut meldete sich wieder nur Marie-Luise.
    Bérénice versuchte, ruhig zu bleiben, als sie nach Hippolyte fragte. »Hier ist Bérénice Mouret, es ist sehr wichtig.«
    Ein Zögern am anderen Ende der Leitung, dann erklärte Marie-Luise, dass Hippolyte nicht da sei. »Er wird heute auch nicht mehr zurückkommen. Es tut mir leid.
Salut.
« Rasch legte sie auf.
    Bérénice’ Hand lag noch auf dem Hörer. Sie überlegte, ob sie noch einmal anrufen und Marie-Luise erklären sollte, sie
müsse
Hippolyte sprechen. Der einzige Mensch, den sie jetzt brauchte und nach dem sie sich sehnte, war er. Es waren seine Arme, in denen sie sich Trost versprach.
    Hippolyte war damals nach jener Nacht mit ihr nach Paris gegangen. Obwohl sie ihm nicht verzeihen konnte, war er bei ihr geblieben. Das war ein Beweis seiner Liebe gewesen, und sie hatte es nicht erkannt. Und nun hatte sie ihn verloren.
    Langsam zog Bérénice ihre Hand vom Telefon zurück.
    *
    Es war ein verrückter Einfall gewesen, das rote Chiffonkleid zur Vernissage anzuziehen. Sie wollte nicht provozieren, nicht auffallen, sie hatte es einfach gewählt, weil es Fleur gehörte. Fleur, ihrer
Mutter.
    Als Bérénice die Galerie betrat, richteten sich viele Blicke auf sie. Sofort bereute sie die Wahl ihres Kleides. Sie fühlte sich müde, verstört, verletzbar. Sie hatte sich in ihrer Wohnung verkrochen und war heute nicht zur Probe gegangen. Am Vormittag hatte Dr. Passot sie angerufen. Seiner Einschätzung nach könne sie ihre Mutter jetzt besuchen, die Patientin könne ein Gespräch nun verkraften.
    »Verkraften? Was verkraften?«, wollte sie wissen, doch Dr. Passot überhörte den aggressiven Ton, und er verstand auch nicht, als sie erklärte, im Moment könne sie Denise Aubry nicht sehen. Jetzt brauche
sie
Zeit.
    Dann eröffnete er ihr, dass man die Patientin leider nicht mehr länger stationär behandeln könne. Aber ihre Ärzte hätten eine Lösung gefunden.
    »Unserem Haus angeschlossen ist die exklusive Seniorenresidenz Santa Emilia hier in der Nähe, eine schöne alte Villa. Sie liegt in einem Park, und jeder der Senioren hat ein eigenes, großes Appartement. Die Anlage ist mit Restaurants, einem Fitnesscenter sowie einem Kulturzentrum ausgestattet, also mit allem, was man braucht, um sich wohl zu fühlen. Auch medizinisch wäre Ihre Mutter dort in den besten Händen … Nun, was halten Sie davon?«, fragte er in munterem Ton, da Bérénice schwieg.
    »Das klingt alles ganz wunderbar«, antwortete sie, »aber will meine … will sie auch dorthin?«
    »Ja, Ihre Mutter ist begeistert, und sehen Sie, deswegen rufe ich an. Eine Wohnung ist dort frei geworden. Die Sache ist nur« – hier machte Dr. Passot eine Pause –, »das Ganze ist nicht gerade billig. Aber Ihre Mutter ist überzeugt, dass Sie ihr das finanzieren können. Sie sei Ihnen doch immer eine so aufopfernde Mutter gewesen.«
    »Ach ja? Meint sie das?« Bérénice war so erschöpft, dass sie keine bessere Antwort darauf fand. »Ich komme, sobald ich aus Paris weg kann«, versprach sie schließlich dem Arzt. »Ich muss das durchrechnen. Schicken Sie mir die Unterlagen inzwischen zu.«
    An dieses Gespräch dachte Bérénice, als sie inmitten der vielen Besucher stand, die zu Jeans Vernissage gekommen waren. Fleur … Maman … Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Fleur zurück.
    »Bérénice!«
     
    Adrienne Bonnet stellte sich auf Zehenspitzen und winkte sie zu sich. Bérénice drängelte sich zu ihr durch, doch kaum stand sie vor Adrienne, stieß die Galeriebesitzerin einen lauten Schrei aus.
    »Das rote Kleid! ›Fleur in einem Traum aus rotem Chiffon im La Coupole.‹ Ich habe ein gutes Gedächtnis, auch wenn ich eine alte Schachtel bin, aber mein Gehirn funktioniert noch«, rief sie ihren Bekannten zu, die einen Kreis um sie bildeten und ihr lachend zuprosteten.
    »Das ist Bérénice Mouret, das Model auf dem Plakat«, stellte sie Bérénice vor, »und sie ist …« Sie unterbrach sich selbst, um einen weiteren Gast zu sich zu winken, der die Galerie betrat. »Sie ist Fleur Déschartes Tochter«, verkündete sie dann den Umstehenden. »Jean hat mich gestern noch angerufen«, flüsterte sie Bérénice mit einem verschwörerischen Augenzwinkern zu.
    Bérénice’ Wut auf Jean stieg. »Wo ist er?«,

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