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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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me! Quia factus es spes mea, turris fortitudinis a facie inimici. Sie klammerte sich an die Worte und ließ sich von ihnen hochziehen, auf jenen Felsen …
    Die Nacht kroch unter den Tannen hervor und brachte Kälteschauer mit, die nicht nur über den Rücken rannen. Eklig-kalte Nässe hatte sich unaufhaltsam durch alle Kleiderschichten hindurchgearbeitet. Christina schlang sich die Arme um den Leib. Hatte sie sich vorhin noch gewünscht, wach zu bleiben, floh sie nun der Schlaf, obwohl sie zu Tode erschöpft war und die Furcht vor sündigen Träumen in ein bloßes Bild erstarrt war. Sie saß gegen einen Baum gelehnt, fühlte die stachelige Rinde am Hinterkopf. Ihr Rücken war weiterhin durch das Buch geschützt, es war ihr also nicht möglich, den Kopf anzulehnen. Aber vielleicht konnte sie ihn nach vorne hängen lassen. Sie musste schlafen, sie musste morgen ausgeruht sein, um weiterlaufen zu können, laufen, laufen … ihr Geist kam vor Zittern nicht mehr zur Ruhe, kämpfte wie ein trotziges Kind gegen die Hand der Mutter, die es beruhigen will.
    Auf leisen Sohlen schlich die Nacht heran. Sie warf ein Tuch aus Kälte über jeden, der keinen Schutz unter einem Dach oder am Feuer gesucht hatte. Sie breitete das Tuch sorgfältig aus, damit es jede Gliedmaße und jeden Zoll Haut bedeckte und nichts aussparte. Danach sandte sie Kälte aus dem Boden und befahl ihr, durch die Füße in den Körper zu kriechen und das, was sie von oben vorbereitet hatte, zu vollenden. Christinas Zähne klapperten leise, dann fand sie etwas, was ihr ein wenig Ruhe schenkte: Der Gedanke an Margaret war wie ein zusätzliches, trockenes Kleidungsstück.
    Das klare, schöne Gesicht der Schwester, ihr langes, seidiges Haar und ihre ruhige Stimme, ihr helles Lachen. Die schmale, vornehme Hand, die so wundervolle Stickarbeiten anzufertigen wusste. Der schlanke Leib, dem kein Fasten etwas anhaben konnte. Und ihre Zuversicht auch in den düstersten Zeiten, der sich nicht einmal die Mutter hatte entziehen können.
    Diesmal brauchte es kein Feuer, um Margaret zu sehen. Sie fand sie in ihren Gedanken, ganz nah bei sich und vor dem Altar der Kathedrale. Und König Malcolm kniete dicht neben ihr, ins Gebet vertieft. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Ein Krug Wasser stand auf dem Boden, zwei irdene Becher daneben. Der Priester tauschte eine heruntergebrannte Kerze aus. Draußen trieb unerbittlich ein Sturm Schneemassen um das Gemäuer, drinnen wärmte Gott die Luft und ließ die Flocken, die es durch das undichte Dach schafften, sanft vergehen. Keine von ihnen erreichte den Boden … Christina rieb sich die Augen. Etwas störte hier. Sie suchte das unerwartet friedliche Bild mit ihrem inneren Auge ab, suchte nach Qual und Angst … doch da war keine Qual. Der König hielt Margarets Hand, während er betete, und sie fühlte das starke Band, das die beiden Menschen vor dem Altar von Dunfermline so dicht beieinander hielt …
    Christina schreckte hoch. Das Bild war aus ihren Gedanken verschwunden. Ein Trugbild? Sie starrte vor sich hin. Ein Krug mit zwei Bechern, und der König hielt Margarets Hand. » In petram inaccessam mihi deduc me! Quia factus es spes mea, turris fortitudinis a facie inimici «, flüsterte sie. War ihre Reise, waren all die Anstrengungen etwa überflüssig, umsonst? Das Bild von Margaret blieb verschwunden. Leise grub sich Hoffnungslosigkeit in ihr Herz.
    Sie hatte gedacht, Nial schlafe. Seine regelmäßigen Atemzüge und die Tatsache, dass er sich nicht bewegte, hatten sie sicher gemacht – und das Gefühl der tiefen Einsamkeit nur verstärkt. Aber er beugte sich langsam vor und legte zwei Äste auf das kleine Feuer. Flammen leckten an der frischen Nahrung und eroberten sie. Er lehnte sich zurück. Im Feuerschein sah sie, dass er hellwach war. Und dann breitete er seinen linken Arm aus, sah sie lange an und flüsterte nur ein Wort: »Komm.«
    Wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, kroch sie auf ihn zu, ohne darauf zu achten, dass sie ihr Kleid durch aufgeweichten Boden zog und dass vertrocknete Tannennadeln an ihren Handflächen kleben blieben. Als sie bei ihm angekommen war, hockte sie sich auf die Fersen und schaute ihn an. Das Feuer zauberte kleine, tanzende Schatten auf sein Gesicht und überzog seinen Blick mit glänzendem Samt. Noch einmal sagte er: »Komm.«
    Es gab nur diesen Platz, an seiner Seite, auf seiner Schulter, an die Achsel geschmiegt. Sie fügte sich in diesen Platz, weil er vom Schöpfer für sie gemacht

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