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Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Die Stunde der Seherin - Historischer Roman

Titel: Die Stunde der Seherin - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Columban.«
    »Nach dem Geist des heiligen Columban. Wer ist das?«
    »Er hat die Kirche des Nordens begründet. Ein Ire, hlæfdige . Man erzählt sich, dass er in Gottes Dienste getreten ist, weil die irischen Frauen so schön sind.« Ruaidrí grinste. »Nun, das wäre für mich kein Grund gewesen. Aber für Columban war es ein Grund, er mochte nicht von Gott abgelenkt werden. Er missionierte die Heiden und führte ein demütiges Leben, und das tun die Mönche in Cennrígmonaid immer noch …«
    »Und der Bischof?«, fragte sie vorsichtig.
    »Nun …« Er schien nicht weiter zu wissen. »Sie beten viel, unsere Mönche, hlæfdige . Und sie sind bescheiden.« Christina nickte nachdenklich, ohne zu verstehen, was er eigentlich meinte. Sie ahnte auch, dass sie ihn jetzt besser nicht nach den culdees fragen sollte, jenen Mönchen ohne Kloster, über die die Leute so schlecht dachten.
    »Aber der Bischof ist ja kein Mönch und muss daher doch nicht bescheiden sein, oder was meint Ihr? Ich finde …«
    »Wahre Religion lebt in der Demut, nicht der Kleidung, sondern des Herzens. Wo sonst lebt der Herr, wenn nicht im Herzen des wahrhaft Demütigen? So spricht der Prophet Jesaja, hlæfdige .« Die warme Stimme hob sich über den Trubel in der Halle und ließ Wort für Wort in ihren Geist tropfen. Fothad hatte offenbar das Gespräch mit angehört und sich ihnen genähert, ohne dass sie es bemerkt hatten. » Ad hunc autem respiciam, ad pauperculum et contritum spiritu et trementem sermones meos, spricht der Herr durch den Propheten. Ich fühle mich daher in meinem Gewand angemessen gekleidet.« Er lächelte sie heiter an, und eine Vielzahl von Falten ließ seine Züge tanzen. »Seid Ihr die Braut, wertes Fräulein?«
    »Nein. Nein, meine Schwester ist die Braut.« Sie beeilte sich, sich vor ihm zu verneigen, vollkommen verwirrt von seinen Worten und dass er einfach so zu ihr getreten war.
    Seine Hände lagen segnend auf ihrem Kopf. »Nun, dann segne ich die Schwester der Braut, in nomine patris et filii et spiritu sancti , für ihre Schönheit, ihre Neugier – und ihre Demut – hoffentlich.« Zwinkernd half er ihr auf. »Verratet mir Euren Namen, schönes Kind.«
    »Christina«, flüsterte sie.
    »Christina«, wiederholte er. »Das bedeutet ›die Gesalbte‹.« Er lächelte. »Gott ist mit Euch, Christina von England.«
    Sein Segen umgab sie wie ein schützender Mantel. Das Genörgel der Mutter perlte ebenso an ihr ab wie Katalins Ermahnungen, sich nicht so viel herumzutreiben, sondern stattdessen mit den Dienerinnen die Kleider durchzusehen und fleißiger an der Fertigstellung von Margarets Brautkleid mitzuwirken. Die Näherinnen hatten Tag und Nacht daran gearbeitet, nun war es fast fertig. Wie ein Sommermorgen schimmerte die hellblaue Seide im Kerzenlicht, während draußen der Sturm um die Mauern heulte und ersten Schnee nach Dunfermline brachte …
    »Wo hat der König das nur her?«, fragte Christina leise und nickte zu dem herrlichen Stoff. Das Nähmädchen sah von der Arbeit auf. Christinas Magen knurrte vernehmlich – der Tag neigte sich dem Ende zu, ebenso wie die Säume, an denen sie seit dem Mittag gearbeitet hatten.
    »Es lag in der Truhe der alten Königin.« Sie kam von den Dänen, und ihr Angelsächsisch klang schwerfällig. »Königin Ingibjörg liebte die Seide. Ketil Storhand brachte ihr Seide aus Byzanz mit, wenn er den König der Schotten besuchte.«
    Boshaft dachte Christina, dass der schottische König hier ja billig wegkam – eine Königin Mathilda hätte sich mit der Seide ihrer Vorgängerin sicher nicht zufriedengegeben, und sie hätte auf einem Spitzentuch aus Brügge bestanden, nur damit es zu den Bändern an den Ärmeln passte, die sie aus Marseille kommen ließ. Die Mantelschließen hätten vermutlich aus italienischer Bronze sein müssen, besetzt mit Edelsteinen aus Samarkand, und bei all diesen Wünschen hätte Malcolm seine Hochzeitspläne kaum vor Ostern durchsetzen können. Margarets Bescheidenheit verbot solche Extravaganzen, sie schämte sich sogar, das Kleid vor dem Tag anzuprobieren, und betete jedes Mal danach einen Bußpsalm, um sich von der Putzsucht zu reinigen.
    »Also bitte – wenn du putzsüchtig bist, bin ich groß«, lachte Christina sie aus.
    Margaret schenkte ihr einen ernsten Blick. »Du bist groß, kleine Schwester. Eines Tages wirst du über dich hinauswachsen.« Dann lächelte sie schelmisch. »Und für den Tag ist es besser, wenn ich jetzt schon mal bete, weil ich

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