Die Stunde der Seherin - Historischer Roman
dann ja putzsüchtig sein werde.« Ihre Augen glitzerten. Jedermann in dem kleinen Raum ahnte, warum Malcolm kaum den Blick von ihr lassen konnte.
Die Kirche von Dunfermline verdiente ihren Namen. Kluge Baumeister hatten sie aus Stein errichtet, und ihr Turm war höher als der Burgturm. Blütenweiße Leintücher wallten an den Wänden herab und schenkten dem düsteren Gemäuer mithilfe einer einzigen Fackel die Reinheit, die Christina in der Kapelle von Edinburgh so schmerzlich vermisst hatte. Es duftete nach gutem Weihrauch und nach Bienenwachs, und der Fußboden war mit frischen Tannenzweigen bestreut, dessen Duft von unten in die Nase zog. Welch friedlicher Ort! Christina atmete ihn tief ein und beschloss hierzubleiben. Leise schloss sie die Tür hinter sich.
» A rìgh – auch wenn ich nun bald Eure Frau sein werde, würde ich es begrüßen, wenn Ihr die Heiligkeit und Stille dieses Ortes respektieren würdet – und meine Andacht, wenn ich mich zum Gebet hierherbegebe.« Margarets klare Stimme rieselte zu Boden und verklang.
Der dunkle Schatten weiter vorne an der Mauer bewegte sich. Tannenzweige knackten unter dem Gewicht eines Mannes, dann raschelte ein langer Wollmantel über die Nadeln.
»Ich wollte mich nur nach Eurem Wohlbefinden erkundigen. Es ist kalt hier, Ihr werdet Euch den Tod holen, nehmt meinen Mantel. Weiter wollte ich nichts.«
»Dank für Eure Sorge, a rìgh . Gottes Liebe hält mich warm …«
»Das allein wäre ja schon ein Grund für brennende Eifersucht«, lachte der König leise und verstummte sofort, als Margaret sich erhob und zu ihm umdrehte. »Vergebt, liebste Verlobte – vergebt meinen Übermut. Ich …« Er sank vor ihr auf die Knie. »Ich hatte nur Sehnsucht nach Euch. Versteht Ihr das, Margaret? Mein Herz sehnt sich nach Euch …«
Sie tat einen Schritt auf ihn zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich vergebe Euch, mein König.«
Ohne ein weiteres Wort erhob er sich, küsste ihre Hand und verließ die Kirche. Christina würdigte er keines Blickes. Wenn Margaret ihn hier beleidigt hatte, so hatte er sich bewundernswert zurückgehalten. Christina zog die Nase hoch.
»Wer will mir denn nun schon wieder eine Decke aufschwatzen?«, rief Margaret verärgert aus und fuhr herum. »Bei der Heiligen Jungfrau – ist es in diesem kalten Land denn nicht möglich, in Ruhe und ungestört zu beten?«
»Ich bin’s nur, Magga«, flüsterte Christina, auf einmal voll Schüchternheit, weil die Stimme der Schwester so anders klang – mächtig, königlich …
»Du …« Sie trat aus dem Licht und kam den Gang herunter. »Stina …« Und dann nahm sie die jüngere Schwester in die Arme und drückte ihren Kopf an ihre Schulter, wie sie es früher so oft getan hatte – früher. Als es noch keinen Krieg, keine Hochzeit und keinen Malcolm gegeben hatte. Als sie Angst und Verlorenheit hinter der Klosterpforte zurücklassen konnten. Früher, als sie sich noch alles erzählt und keine Geheimnisse voneinander gehabt hatten. Früher … Christina schluchzte auf.
»Ich hab dich so vermisst«, flüsterte sie.
»Ich dich auch, Stina.« Ein tiefer Seufzer drückte sich gegen Christinas Brust. »Es ist nicht leicht … das mit Malcolm. Nichts ist leicht.«
»Warum … Magga, warum tust du es dann?« Die Frage lastete schwer auf ihrer Seele – und endlich hatte sie sie aussprechen können, endlich … Margarets Augen wurden groß und dunkel.
»Ich … ach, Stina. Ob du mich verstehst?«
»Ich will’s versuchen.«
»Ich …« Die Augen füllten sich mit Wehmut. »Vater hätte es so gewollt. Diese Ehe ist meine Pflicht und unser aller Absicherung … Als seine Tochter hätte ich doch gar nicht anders handeln können.« Das musste ihr schon klar gewesen sein, als sie Malcolms Antrag ablehnte. Christina, die die Jahre mit ihr im Kloster geteilt hatte, wusste, was das für sie bedeutete.
»Liebst du ihn denn ein bisschen?«, fragte sie schüchtern und im Bewusstsein, dass man diese Frage nicht stellte, weil sie keine Rolle spielte. Margaret nahm sie noch fester in die Arme.
»Das hat es mir leicht gemacht«, flüsterte sie ihr ins Ohr, damit es nur bei ihr aufgehoben war. Und ein wenig von ihrem bräutlichen Herzklopfen sprang auf Christina über …
Sie schob sie ein Stück von sich, betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. »Bleib bei mir in dieser Nacht, Schwester. Bete mit mir. Alles wird so anders, als wie ich es mir immer ausgemalt hatte. Ich fürchte mich vor dem, was da kommt –
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