Die Stunde Der Toechter
sie vor Sebastian Schürch nieder und bezichtigte sich selbst androzentrischer Wahnvorstellungen.
Natürlich war Schürch der Erste, der auftauchte. Er murmelte einen unverständlichen Gruß. Dann legte er seine Unterlagen auf den Tisch und verschwand wieder in den Weiten der kriminalpolizeilichen Büroräumlichkeiten.
Als Nächster erschien Erich Müller. Er sah kein bisschen ausgeruhter aus als am Freitag. Müde lächelnd erkundigte er sich nach Johannas Wochenende.
»Super! Ich war in Arosa. Essen, baden, spazieren. Das kann ich nur empfehlen. Außerdem ist es ein Katzensprung mit dem Auto. Und die Fahrt macht Spaß. Besonders wenn man am Berg schnell ist. Dann treibt man den holländischen Touristen den Angstschweiß auf die Stirn.«
Er grinste. »Ist es kinderfrei? Dann ist es der Ort, wo ich den Rest meines Lebens verbringen will.«
»Ist es so schlimm?«
Er nickte. »Du kannst mir alle deine Nachtschichten abtreten, wenn du willst. Verglichen mit meinen Nächten wären sie ein Vergnügen.«
»Die kannst du haben. Aber nur, wenn du alle Strafverfahren, die ich mir in früheren Nachtschichten aufgehalst habe, auch auf dich nimmst.«
Müller schaute sie schräg an, sagte aber nichts weiter, denn von Kranach kam zur Tür herein. Pünktlich wie eine Schwarzwälder Kuckucksuhr. Dicht gefolgt von den anderen drei Beamten.
Während der Besprechung blieb von Kranach ausgesprochen formalistisch. Einen weiteren Eklat schien er unbedingt vermeiden zu wollen. Er begann mit einer Zusammenfassung der Ereignisse des Wochenendes. Sie deckte sich weitestgehend mit dem, was Johanna bereits wusste. Anschließend verlangte von Kranach von allen einen Rapport über den Stand ihrer Arbeiten.
Viel zu sagen hatten die anderen nicht. Müller war auf keine Hinweise gestoßen, die auf eine Verbindung zwischen Stämpfli und Bogdanow hinwiesen. Bei Schürch war es ähnlich. Er konnte nur bestätigen, dass die Sammler auf Tauchstation waren. Nach Stämpflis Entführung war das Terrain zu heiß geworden. Niemand wollte über glühende Kohlen laufen. Krähenbühl hatte verschiedene Recherchen in Auftrag gegeben, aber noch keine Resultate erhalten. Und Imboden konnte lediglich berichten, dass sich Bernhard Stämpfli das ganze Wochenende über so unverdächtig verhalten hatte wie ein Klosterschüler.
Verglichen damit hatte Johanna eine Menge zu berichten. Am Nachmittag hatte sie zuerst Aeschbachers Dossier studiert. Anschließend hatte sie einige Telefonanrufe getätigt und nochmals im Internet recherchiert. So hatte sie ein recht deutliches Bild von Bogdanow erhalten. Von Kranach hatte ihr einen Arbeitsplatz in einem Besprechungszimmer einrichten lassen. Da ließ es sich ungestört arbeiten. Als er ihr nun das Wort erteilte, nahm sie sich fest vor, niemanden zu provozieren und nicht aus der Rolle zu fallen.
»Bogdanow ist ein hässlicher Mann.«
Amüsiert registrierte sie, dass sich die anderen gegenseitig musterten. Offenbar versuchten sie herauszufinden, wie ein hässlicher Mann aussah. Johanna verzichtete darauf, konkrete Hinweise zu geben.
»Ansonsten blitzgescheit und als Geschäftsmann ein Senkrechtstarter. Das Schönste aber ist, dass er Dreck am Stecken hat.« Sie hielt kurz inne. »Zu haben scheint. Die Kantonspolizei hat von der italienischen Finanz- und Zollpolizei Hinweise darauf erhalten, dass er an einem Transportunternehmen der Mafia beteiligt ist. Mindestens indirekt über eine andere Firma. Überdies läuft in Deutschland eine Untersuchung wegen Geldwäsche. Die bisher zugänglichen Akten enthalten aber wenig mehr als den Verdacht. Des Weiteren gibt es Gerüchte wegen Steuerhinterziehung und betrügerischem Konkurs.«
Von Kranach nickte anerkennend. »Ist er ein Sammler?«
Johanna schielte kurz zu Schürch hinüber. Dieser starrte die Wand an.
»Er scheint wohl eher auf zeitgenössische Kunst zu stehen. Bogdanow war kurze Zeit Mitglied der Beschaffungskommission der Tate Gallery. Zu dieser Zeit hat er in London für die UBS gearbeitet. Vielleicht ist ihm dort das eine oder andere Schnäppchen über den Weg gelaufen. Mehr habe ich zum Thema Kunst nicht gefunden. Wir können deshalb nicht ausschließen, dass Bernhard Stämpfli mit seiner Behauptung eine falsche Spur gelegt hat.«
Von Kranach kritzelte etwas auf seinen Notizblock. Es war das erste Mal, dass Johanna ihn schreiben sah. Bis anhin hatte er lediglich aufmerksam zugehört. Dies hatte sie weniger überrascht, als ihn schreiben zu sehen. Wahrscheinlich
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