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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Gesicht war wie braunes Leder. „Russen", sagte er, als er die Zigarette angebrannt hatte, „damit euer Haufen endlich mal lernt, wie Krieg geführt wird."
    „Jesus Maria", knurrte Timm gereizt, „spätestens bei der nächsten solchen Antwort verlierst du ein paar Backenzähne, wenn du noch welche hast! Was sollen die Kerle hier?"
    „Schwager", sagte der Gefreite gemütlich, „ich bin nicht Jesus, und ich weiß nicht alles. Ich hab sie nur hierhergebracht. Was sie hier sollen, weiß euer Chef. Die Zigarette ist gut. Habt ihr mehr davon?"
    „Verschwinde!" riet ihm Timm wütend. „Hau ab, ehe dich die Schweine beißen!" Dann schlug er den Weg zu Alf ein, und Zado stieß mit dem Ellenbogen die Tür zur Unterkunft auf. Er ließ die Brote auf den Tisch fallen und stellte das Geschirr mit dem Kaffee daneben. Dann sagte er zu Bindig: „Es geht wieder los, Kleiner. Eben sind fünf Wlassow-Russen angekommen. Das gibt wieder eine Himmelfahrt. Wenn ich bei dem Einsatz krankschieben könnte, wäre mir wohler ..."
    Eine Stunde später standen sie angetreten, und Timm blätterte in seinem Notizbuch. Er las vor: Zadorowski, Bindig, Paniczek ..." Danach las er noch sieben andere Namen.
    „Raustreten!" befahl er dann. „An der Schreibstube auf mich warten."
    Sie stapften davon, während er den Rest der Kompanie zum Dienst einteilte.
    Vor der Schreibstube spuckte Zado geräuschvoll in den Schnee und schob sich die Mütze ins Genick. Während er sich das verfilzte Haar kratzte, sagte er gleichgültig zu den anderen: „Jungens, seht euch unser Nest noch einmal genau an. Mir scheint, wir unternehmen eine Reise mit wenig Gepäck. Wenn wir nicht zurückkommen und tot sind, dann sind wir in der verkehrten Richtung gefahren."
    Timm kam wenige Augenblicke später. Er rief schon von weitem: „Los, los, steht nicht da herum wie die Kaffern! Antreten ! Oder glaubt ihr, ich will Geburtstag mit euch feiern?"
    Die zehn stellten sich auf, und Timm lief an ihnen vorbei in das Haus.
    Alf saß in der Schreibstube und sprach mit den fünf Russen. Sie beherrschten alle ein paar Brocken Deutsch und verstanden vor allem die militärischen Kommandos. Einer von ihnen dolmetschte, was die anderen nicht verstanden. Es waren Männer, die im Vergleich zu den Soldaten der Aufklärungskompanie sehr alt zu sein schienen. Timm versuchte, während er sie musterte, zu ergründen, was hinter dem eigenartigen Ausdruck ihrer Gesichter steckte. Es waren keine ängstlichen, auch keine mißtrauischen Gesichter, und doch waren sie beides zugleich.
    Timm überlegte insgeheim, was diese Männer zu leisten imstande wären.
    Wartet, dachte er, ich werde mir euch genau ansehen! Ich werde euch hetzen, bis ihr die Lunge aus dem Hals verliert, und wenn ihr nicht ohne Lunge weiterrennt, könnt ihr wieder hingehen, wo ihr hergekommen seid, so wahr ich Klaus Timm heiße!
    „Fertig?" fragte Alf. Timm legte die Hand vorschriftsmäßig an die Mütze und erwiderte: „Fertig, Herr Leutnant. Die zehn Mann sind draußen angetreten."
    „Danke." Alf wandte sich wieder an den Russen, der den anderen dolmetschte: „Sie werden nun in eine Gruppe der Kompanie eingegliedert und machen heute Ihren ersten Dienst mit. Auf Abruf werden wir zum Übungsplatz fahren und von dort aus zum Einsatz." Der Russe übersetzte es den anderen. Sie zeigten keine Bewegung.
    „Versuchen Sie", sagte Alf, „mit den übrigen Soldaten der Gruppe bekannt zu werden, so gut es geht. Sie werden aufeinander angewiesen sein. Es ist gut, wenn einer den anderen kennt. Vereinbaren Sie untereinander einige Worte, mit denen Sie sich in bestimmten Fällen schnell verständigen können. Unteroffizier Timm wird Ihnen dabei Anleitung geben. Die übrigen Soldaten, mit denen zusammen Sie eingesetzt werden, sind erfahrene Leute. Achten Sie immer darauf, was sie tun, sie werden nicht zum ersten Male eingesetzt. Sie kennen sich aus."
    Der Russe übersetzte wieder. Dann fragte Alf: „Haben Sie noch irgendwelche Nachrichten an jemand zurückzulassen, bevor Sie zum Einsatz gehen?"
    „Nein", antwortete der Russe, „wir haben niemand etwas zu bestellen."
    „In Ordnung." Alf erhob sich. „Dann treten Sie draußen mit den übrigen Soldaten zusammen an."
    Als sie die Stube verlassen hatten, erkundigte sich Timm familiär: „Leutnant, was sind das für Figuren? Sie machen mir den Eindruck, als ob sie entweder große Ganoven sind oder reingefallene Drückeberger."
    Alf lächelte mit einem gelangweilten Ausdruck im Gesicht. Er

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