Die Stunde der toten Augen
Uniform. Seine kleine, ein wenig untersetzte Gestalt steckte in gut nach Maß geschneidertem graugrünem Tuch, von dem sich die ockerfarbenen Kragenspiegel leuchtendhell abhoben. Diese Nachrichtenleute, dachte Alf, wie die nur zu den Auszeichnungen kommen! Der Leutnant trug das Deutsche Kreuz an der Brust. Er roch nach einem bitteren, französischen Parfüm, das an den Weihrauchduft in Kirchen erinnerte. Alf erhob sich, um den anderen zu begrüßen, und dann bot er ihm aus der Zigarettenschachtel an. Aber der Nachrichtenoffizier lehnte ab.
„Ich bevorzuge Zigarren. Früher rauchte ich meine dreißig Zigaretten am Tag. Von der Zeit habe ich noch das Aroma dieser Players in Erinnerung. Wir erbeuteten sie zum erstenmal bei Dünkirchen. Sind Sie an der Westfront?"
„Nein. Im Osten", gab Alf Auskunft. Barden hatte ihm den Nachrichtenmann vorgestellt. Er schien ihn zu kennen. Der Leutnant war Alf nicht besonders sympathisch, aber es schien, als sei mit ihm auszukommen. Er war außer ihnen der einzige Offizier, der gegenwärtig in diesem Hotel wohnte.
„Im Osten ...", sagte der Nachrichtenmann, „das ist eine harte Sache. Sie sind nicht zu beneiden. Ich hörte, Sie sind bei der Luftwaffe?"
„Luftlandetruppen", sagte Alf, „eine Fallschirmjägereinheit."
„Die zu Fuß geht...", lächelte der andere nachsichtig.
„Nicht gerade", sagte Alf verbindlich. „Wir sind eine der wenigen Einheiten, die noch am Schirm hängen."
„Ah ...", machte der Nachrichtenoffizier, „interessant! Davon müssen Sie mir erzählen, Kamerad! Darf ich Sie einladen? An der Bar gibt es vorzüglichen ..."
„Ich ...", unterbrach Alf ihn. Gisela kam durch die Tür auf sie zu. Alf blickte ihr entgegen und von ihr auf den Nachrichtenmann.
„Oh, Pardon!" sagte der, sich vor Gisela verbeugend. „Ihr Fräulein Braut! Ich dehne meine Einladung auf Sie beide aus, wenn Sie gestatten ..."
Als sie auf den Hockern saßen, sagte er leutselig: „Ich vergaß völlig, mich vorzustellen, meine Dame. Riebeck, Leutnant Riebeck. Zuletzt in Italien. Warte jetzt auf neuen Einsatz. Bevorzugen Sie einen Likör, oder halten Sie bei einem männlichen Kognak mit Dreistern, garantiert..."
„Kognak", sagte Gisela, „diese Liköre sind fade."
„Ausgezeichnet!" Riebeck freute sich. „Eine Frau, wie sie ein Offizier braucht. Von männlicher Festigkeit, selbst in den Getränken, haha ..." Er hielt sein Glas mit gekrümmtem Arm steif vor die Brust und schob den Kopf ruckartig nach vorn. „Auf ihr Wohl! Auf Ihre glückliche Ehe nach dem Sieg!"
Der Barmixer stellte gleichmütig Gläser zu recht. Er war ein kleiner, spinniger Kerl mit einem Spitzmausgesicht. Während er eine Flasche Martini öffnete, nickte er Gisela zu.
„Wieder mal bei uns?"
„Es ist Winter", sagte Gisela. Sie warf ihr blondes Haar zurück, daß es lang und in sanften Wellen über das dunkle Seidenkleid fiel. Dann lächelte sie:
„Im Winter braucht man St. Georgen ... und eure Bar hier und das, was es zu trinken gibt!―
Der Mixer wischte grinsend Gläser aus. Er sah Alf, der sich mit Riebeck unterhielt, von der Seite an, aber er sagte nichts. Ihn interessierte nur Alf, der sein Glas ausgetrunken hatte und hinstellte.
„Das gleiche?" erkundigte er sich. Alf nickte.
Gisela hielt die Hand über ihr Glas. „Nicht so schnell, Fips. Die Nacht ist lang."
Die beiden Offiziere unterhielten sich wieder. Fips beugte sich ein wenig über den Tisch und flüsterte: „Davon bin ich überzeugt. Sie sehen bezaubernd aus, Gisela!"
Er hatte ein Holzbein. Bei einem Fliegerangriff in Frankreich hatte er sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen können. Er ging schlecht, aber man sah es nicht, wenn er hinter der Bar stand. Er kannte seine Leute. Im späten Frühjahr bediente er Giselas Vater. Dann machte er der Dame, die mit ihm war, Komplimente. Im Hochsommer kam Giselas Mutter, und der Mann, der mit ihr war, bestellte meist gequirlten Sekt. Gelegentlich erkundigte sich dann Fips nach den Geschäften. Im Herbst kam Gisela. Manchmal kam sie im Winter noch einmal. Fips kannte sich aus. Leute, die eine Bank besitzen, müssen gelegentlich ausspannen. Und diese Leute besaßen nicht gerade eine der unbedeutendsten Banken in Köln.
Riebeck hob wieder sein Glas. Sie tranken, und Alf überlegte, daß es noch sehr früh war und daß er nicht im gleichen Tempo weitertrinken durfte.
„... und dann gingen wir aus unserer Stellung ein paar hundert Meter den Berg hinab und tauschten Zigaretten mit den
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