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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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kam, die Paniczek aufnahm und ihm zurief.
    Neben dem Telefon hockend, in den weißen Umhang gehüllt, horchte Bindig in die Nacht. Vom Holzplatz waren bis vor einiger Zeit noch ab und zu Motorengeräusche gekommen, aber jetzt war es auch dort still. Sie stellten auf dem Platz, den sie vorher vermint hatten, die Fahrzeuge zusammen und verminten auch über der Erde die Fahrzeuge noch einmal. Unternehmen Friedhof, dachte Bindig, das gilt für die Fahrzeuge, die sie zusammenstellten. Aber es gilt auch für die Fahrer, die irgendwo abseits im Walde liegen.
    Paniczek lag neben dem Obergefreiten an der Kreuzung und brannte sich eine Zigarette an, als das Autogeräusch aus der Ferne hörbar wurde. Er überlegte, ob er jetzt zurücklaufen sollte, aber es schien dafür zu spät zu sein, und so drehte er nur schnell an der Kurbel, bis sich am anderen Ende Bindig meldete. Er sagte ihm, daß ein Fahrzeug heranrolle, und Bindig antwortete: „In Ordnung, das mache ich schon. Bleib so lange da, bis es vorbei ist."
    Dann war der Wagen auch schon zu sehen. Er fuhr ziemlich schnell auf die Kreuzung zu, wo die beiden Posten standen. Es war ein Jeep, trotz der kalten Nacht ohne Verdeck fahrend und mit vier in Mäntel gehüllten Personen besetzt. Der Russe an der Kreuzung hob die Signalflagge, und der Jeep rollte langsamer. Er hielt genau zwischen dem Posten mit der Flagge und dem anderen, der mit hochgeschlagenem Mantelkragen, die Maschinenpistole über der Brust, am Straßenrand stand. Im gleichen Augenblick, als der Russe mit der Signalflagge an den Wagen herantrat, erkannte er die Abzeichen des Generals auf der Uniform eines der Männer. Er stand automatisch stramm und hob die Hand an die Pelzmütze.
    Es war der Mann, mit dem Zado zuletzt über das Messer gesprochen hatte, und er hätte jetzt das sagen müssen, was Timm ihm für solche Falle eingeschärft hatte, nämlich daß einige Schleppfahrzeuge mit defekten Panzern auf der Straße unterwegs waren und der Jeep vorsichtig fahren solle, weil die Schlepper ohne Licht fuhren. Dann hätte der General genickt, der Fahrer hätte
    gleichmütig Gas gegeben, und dann wäre der Jeep weitergefahren, ohne sich weiter um die beiden Posten zu kümmern.
    Er tat das nicht, sondern er sagte, immer noch die Hand an der Pelzmütze, das gleiche, was er den Fahrern der sechs Fahrzeuge gesagt hatte, die jetzt bereits auf dem Holzplatz standen. Er blickte den General dabei an, und seine Augen zogen sich sehr schmal zusammen. Diesen General zu töten, das war etwas Einmaliges. Es war der Versuch, Rache zu üben. Der Fahrer fuhr langsam wieder an, und während der Jeep davonrollte, gab der Posten dem Obergefreiten das vereinbarte Zeichen. Bindig hob den Hörer ab, und zwei Sekunden später gab er dem Russen an der Abzweigung des Waldweges das Zeichen. Der trat auf die Straße und hob die Signalflagge.
    Der Fahrer lenkte den Wagen an die rechte Straßenseite, und während der Posten mit der Flagge herantrat, fragte der General unwillig: „Wer hat denn diese Umleitung verfügt?"
    „Verfügung vom Armeestab, Genosse General!" antwortete der kleine Russe.
    Der General schüttelte den Kopf und sagte: „Eigenartig." Dann wandte er sich an den Offizier, der neben ihm saß, und sagte ärgerlich: „Hier ordnet irgendeiner Unsinn an. Die Straße ist breit genug für zwei T34."
    „Ich denke auch", antwortete der Angeredete mit einem Blick auf die Straße. „Übrigens sind diese Waldwege hier oft sumpfig. Es ist nicht sicher, ob wir..."
    „Haben Sie den Weg kontrolliert?" fragte der General den Posten mit der Signalflagge.

Der ahnte, daß hier etwas begann, was nicht glatt ablaufen würde. Er erklärte, daß der Weg in Ordnung sei, aber der General klopfte ungeduldig mit den Fingern, die in dicken Wollhandschuhen steckten, auf die eiserne Lehne des Vordersitzes. Er dachte an die Panzerkolonne, die ein paar Minuten hinter ihm heranfuhr, und erinnerte sich daran, daß die Fahrt der Kolonne mit dem Armeestab vereinbart war. Niemand hatte von einer Umleitung gesprochen.
    Ganz plötzlich befahl der General dem Fahrer ärgerlich: „Zurück. Zum Funkwagen zurück. Wir werden sehen, wer hier auszuweichen hat." Der Fahrer wendete den Jeep mit einer eleganten Kurve. Der Schnee wirbelte unter den Rädern hervor, und dann rollte das Fahrzeug seinen Weg zurück, auf die Kreuzung zu. Es fuhr schnell, und die beiden Russen an der Kreuzung hielten diese Schnelligkeit für das Zeichen der Entdeckung des ganzen Unternehmens.

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