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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Einkleidung auf der Kammer mit abgegeben hätten."
    „Wenn wir es überleben. Wenn wir 'rauskommen ..."
    ja, dann. Und wenn wir diesem Mann im Radio glauben und beim nächsten Einsatz verschwinden und überlaufen, dann werden sie uns ebenso danach fragen, nur ein wenig früher als sonst. Was würdest du ihnen antworten?"
    „Ich weiß nicht", sagte Bindig langsam, „ich habe mir mein ganzes Leben anders vorgestellt. Es fing damit an, daß sie mein Mädchen ..."
    „Nein", sagte Zado schnell, „es fing damit an, daß Hitler den Krieg erklärte, ich erinnere mich genau an den Tag. Ich hatte Halsschmerzen, und alle anderen, die mit mir in einer Bude lagen, waren sternhagelvoll besoffen. Aber nicht einmal da fing es, genau besehen, an, sondern schon viel früher. Und nicht erst damit, daß die Flieger kamen."
    „Ich habe mir alles anders vorgestellt. Auch den Krieg. Aber jetzt bin ich nicht mehr mit dem Herzen dabei. Nur noch mit den Händen. Und mit dem Kopf."
    Die Musik in den Kopfhörern lief unentwegt weiter. Es war ein Konzert ohne Unterbrechung. Es war deutsche Musik. Einmal sagte eine Stimme dazwischen: „Macht Schluß, Kameraden! Zu Hause warten eure Frauen auf euch. Macht Schluß mit dem Krieg, dann könnt ihr heimgehen zu euren Frauen..."
    Zado sagte abwesend: „Unsere Frauen. . . Da fallen mir die beiden ein, die wir gestern in unserem Quartier hatten. Die eine hat gesagt, seit wir hier liegen, tut sie es nur noch für Schokolade. Sie hat drei Kinder. Hättest du ihr das angesehen?"
    „Es ist alles ganz anders gekommen", sagte Bindig langsam, „was man sich so vorgestellt hat, wovon man geträumt hat."
    „Unsere Träume?" Zado zog müde die Kopfhörer ab und hängte sie an den Einstellknopf des Gerätes. „Wir haben alle einmal geträumt. Und jetzt hocken wir hier und sind feige.
    Wir sind so feige, daß wir nicht einmal uns selbst eingestehen, wie feige wir sind. Was haben wir nicht einmal alles geträumt. Aber die Träume sind gestorben, Kleiner. Wir werden auch sterben. Dann wird Timm nach Hause schreiben, daß wir Helden gewesen sind. Oder Alf wird es tun."
    Die Zeit verging. Sie stiegen in die Maschinen und glitten an den Schirmen zur Erde. Sie kehrten zurück und tranken und schliefen, und da waren die Frauen und Timm, der manchmal durch die Unterkünfte ging.
    „Ihr habt Langeweile, was? Euch juckt es in den Fingern, Bindig, he! Einen umlegen? Leichen machen? Abwarten, bald geht's wieder los!"
    Und die Gespräche im Dunkel. Über die letzte Frau des einen und über die erste des anderen. Ob die Bordelle Hollands besser waren als die in Frankreich, und was man mit der Frau zu Hause tun wird, wenn man merkt, daß sie einen anderen gehabt hat. Und die Methoden, aus Genever ein trinkbares Gesöff zu brauen. Mit Honig und Zimt. Und wer wird wohl bei den Mädchen von der Theatergruppe Glück haben, die morgen kommt?
    „Es sind Puppen dabei...", sagte einer schlaftrunken.
    Die unruhigen Nächte, wenn der Schlaf federleicht ist und wie ein Spiegel, aus dem einen die Augen der Toten anblicken. Wenn die Träume kommen und die Schreie, von denen man erwacht, schweißgebadet, verwirrt. Und dann die Stunden, in denen man wach liegt und die Augen der Toten sieht, ob man sie sehen will oder nicht. Am Morgen beim Antreten das Schafsgesicht Alfs und der Geruch nach Leder und Schweiß, und ostwärts in der Ferne das Gemurmel der Geschütze.
    In der nächsten Nacht sind sie wieder östlich dieses Gemurmels. Sie sind zahlreich diesmal. Sie greifen ein Munitionslager an, eins von den kleinen, die weitab von den Hauptstraßen liegen und deren Wachpersonal nicht sehr zahlreich ist. Da ist ein Graben und ein bißchen Stacheldraht.
    Sie lauern am Saum der Büsche, und da steht der Außenposten, von dem sie wissen, daß er in einer Viertelstunde abgelöst wird. Dann geht er heim, und der nächste beginnt seine Wache. Sie dauert zwei Stunden. Diese zwei Stunden sind sicher; in diesen zwei Stunden wird niemand danach fragen, ob der Posten noch lebt. In diesen zwei Stunden werden sie ihn töten, und sie werden sich über das Lager ergießen wie eine Legion, die aus der Hölle kommt. Es wird keinen Überlebenden geben. Nur Tote. Das Lager wird nicht mehr sein, wenn sie es überfallen haben.
    Aber der Krieg wird weitergehen, denkt Bindig. Es wird sich nichts ändern, denn dieses lumpige Lager ist so lächerlich unbedeutend für die Armee in den Pelzmützen, daß sie es kaum spüren wird, wenn es ausfällt.
    Timm ist

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