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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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kommt diese Stille heute abend nicht geheuer vor ..."
    Sie waren hundert Meter gefahren, als Zado das Rollen hinter der Front der Russen hörte. Es war ein dumpfes, grollendes Geräusch, das dem Ton mehrerer großer Trommeln glich, die in einem monotonen Rhythmus geschlagen wurden. Zado beugte sich nach vorn und schrie dem Fahrer ins Ohr: „He, sieh zu, daß du aufdrehst, es geht los!"
    Aber es war zu spät. Die erste Lage Granaten schlug in den Wald. Sie krepierte zwischen den Bäumen, mit einem hellen Geflacker der einzelnen Einschläge. In das Geprassel der niedergerissenen Äste mischte sich das bösartige Jaulen der Splitter, die von den Stämmen abprallten. Der Meldefahrer trieb die Maschine vorwärts, aber soviel er auch an Geschwindigkeit aus ihr herausholte, es war zu spät, dem Feuer zu entfliehen. Der Melder wußte das. Er suchte mit den Augen den Wegrand ab, und plötzlich bremste er so scharf, daß Zado beinahe von seinem Sitz fiel. Neben dem Weg lag einer der alten, verfallenen Unterstände des Granatwerferzuges. Die Stämme, die ihn gegen direkte Volltreffer schützen sollten, waren durcheinander geraten, wahrscheinlich hatte irgendeine andere Einheit, die vorbeigezogen war, Brennholz gebraucht. Aber es blieb der Einstieg in die mehr als zwei Meter tiefe, modrig stinkende Grube. Zado begriff sofort, was der andere wollte. Er sprang von seinem Sitz und trat ein paarmal mit großer Wucht gegen die Wand des Einstieges. Binnen einiger Sekunden hatte er das Loch so erweitert, daß der Melder die Maschine hin- durchschieben konnte. Als die nächste Lage Granaten in den Wald schlug, waren die beiden noch dabei, in den Unterstand zu verschwinden, die dritte Lage jedoch schlug ein, als sie bereits in dem Loch untergetaucht waren.
    Die Russen schossen mit den üblichen Siebzehnzwo, aber bereits nach der ersten Lage gurgelten die Werfergranaten dazwischen. Die Siebzehnzwo kämmte das Waldstück ab; sie begann an der Vorderkante, die sich bei Tage von drüben aus gut anmessen lassen mußte. Sie schossen die erste Lage genau fünfhundert Meter hinter diese Vorderkante, dorthin, wo sie die Gefechtsstände vermuteten. Die zweite Lage schlug ein paar hundert Meter hinter dieser Stelle ein, genau dort, wo sich in diesem Augenblick die befinden mußten, die aus den gefährdeten Gefechtsständen und Munitionsbereit-stellungen zurückliefen, um das Feuer weiter hinten abzuwarten. Sie hatten ein klug ausgerechnetes System in ihrem Feuer. Man spürte sofort, daß sie keinen Angriff vorbereiteten, denn sie ließen die Kampflinie beinahe völlig in Ruhe. Sie wußten, daß um diese Zeit das Abendessen nach vorn kam. Es befand sich nach ihren Berechnungen jetzt gerade in der Nähe der Gefechtsstände. Dort zerschlugen sie es. Dann kamen die Munitionsbereitstellungen an die Reihe, dann die Werferstellungen und zuletzt die Artillerie. Dazwischen immer wieder das Waldstück, wo alle die Zuflucht suchten, die sich weder bei den Gefechtsständen noch bei den Werfern oder der Artillerie aufhalten wollten.
    Während die Granaten mit dem ihnen eigenen, schmetternden Krach barsten und ihre kreischenden Splitter durch das Gewirr der Baumäste
    sandten, explodierten die Werfergeschosse, die die Soldaten am meisten fürchteten, mit dumpfem, trockenem Knall. Die Werfergeschosse waren nicht zu hören. Sie waren ganz plötzlich da, über ihnen in der Luft, fielen vom Gipfelpunkt ihrer Flugkurve fast senkrecht herab und verstreuten eine Unmenge winzigkleiner Splitter sehr flach über dem Erdboden. Dagegen gab es kaum eine Deckung, wenn man nicht gerade in einem Loch hockte. Die Werfergeschosse waren überall. Beim Aufschlag erzeugten sie kleine, grelle Flämmchen, die sofort erloschen. Sie erfüllten die Luft mit ihrem Gegurgel und dem Zirpen der winzigen Stahlsplitter. Die Granateinschläge nahmen sich gegen sie beinahe wie plumpe, ungefährliche Riesen aus.
    Der Meldefahrer hatte die Maschine so in das Einstiegloch des Unterstandes geschoben, daß sie nahezu verdeckt wurde. Dahinter, im Dunkel, an die rissige, mit Wurzeln verstrüppte Wand gedrückt, hockte er selbst. Er hatte sich nicht hingelegt, sondern nur zusammengekauert, als hielte er es für besser, den Körper so klein wie möglich zu machen. Zado hockte neben ihm, die Beine angezogen, nach der Öffnung starrend. Dort zuckten unablässig die Lichter der Explosionen auf, grell, wenn sie in der Nähe lagen, oder schwach, wenn sie weiter entfernt waren. Manchmal verschmolzen die

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