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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Nähe des Gefechts- standes auf, Sie brauchen ihn nicht zu suchen. Sie werden dort erwartet."
    Der Oberfeldwebel nickte befriedigt. Er stieg ein, und bevor er den Schlag zumachte, rief ihm Zado zu: „Halten Sie sich immer hinter mir!"
    Er fuhr hundert Meter in den Wald hinein und bog dann in einen schmalen Seitenweg nach links ab. Als die beiden Fahrzeuge einige Minuten gefahren waren, lichtete sich der Wald vor ihnen. Es war dunkel geworden, und sie mußten langsam fahren. Hinter dem Waldrand war nichts zu erkennen. Das Land lag beängstigend still unter dem wolkenverhangenen Himmel. Hier an dieser Stelle hatte die Frontlinie eine sackartige Einbuchtung. Der Waldrand verlief in einem großen, offenen Bogen, und dazwischen lagen einige hundert Meter freies Feld. Zado wußte das. Er wußte noch mehr. Die freie Ebene, die zwischen den beiden Waldspitzen lag, war Niemandsland. Auf diesem kleinen Fleckchen Erde lagen mehr als hundert sowjetische Minen. Sie lagen schon monatelang in der Erde, aber man hatte sie nicht geräumt, weil die Erde gefroren war. Man nahm lieber die Front ein paar hundert Meter zurück. Zado kannte das Minenfeld. Jeder, der hier eingesetzt war, kannte es. Es waren Minen, von denen ein kleines Drähtchen bis einige Zentimeter über die Erde führte, das die Zündung auslöste, wenn es berührt wurde. Die Minen waren gefährlich. Sie detonierten selbst bei diesem hartgefrorenen Erdboden. Zado wußte, daß es starke Ladungen waren. Sie würden einen Lastwagen zerreißen.
    Er hielt an der Waldspitze an und rieb sich die Augen. Der Volkswagen fuhr neben ihn, und der Oberfeldwebel erkundigte sich: „Na, sind wir da?"
    „Dort drüben ...", erklärte Zado, „da unmittelbar an dieser Waldspitze liegt die Dritte. Sie können ruhig über das Feld fahren, die Russen liegen tiefer und haben keine Einsicht in das Gelände." Er atmete unhörbar auf, als der Oberfeldwebel befriedigt nickte. Hastig sagte er: „Machen Sie aber besser kein Licht an, man kann nie wissen ... Ich muß jetzt umkehren. Der Melder hatte die Tasche voll Zeug, das zur Division muß. Sie haben mir eingeschärft, wie ein Wilder abzurauschen ..."
    „Brechen Sie sich nicht das Genick", sagte der Oberfeldwebel gönnerhaft. Er reichte ihm eine Schachtel Zigaretten aus dem Wagenfenster und sagte: „Nehmen Sie zwei, und vielen Dank."
    „Bitte", sagte Zado heiser, „bitte, Herr Oberfeldwebel. War eine Selbstverständlichkeit."
    Er fuhr ein Stück in den Wald hinein und hielt dort an. Er ließ den Motor laufen und sah zurück. Der Volkswagen fuhr mit surrendem Motor auf die freie Fläche hinaus. Dort gab der Fahrer Gas, und das Fahrzeug brauste mit hoher Geschwindigkeit davon. Aber es kam nicht weit. Das Gesurr des Motors ging plötzlich in einer schmetternden Detonation unter, deren Stichflamme für Bruchteile von Sekunden das Gelände beleuchtete.
    Zado sah im Schein der Detonation, wie der Wagen auseinander gerissen wurde. Bevor es wieder still wurde, klatschten ein paar Blechteile irgendwo auf den Boden. Ein Stück Metall schlug gegen einen Baumstamm. Dann war es still. Kein Laut, kein Schmerzensschrei, nichts. Zado lauschte eine Minute und noch eine. Dann hörte er von der anderen Waldseite her Stimmen, aber das waren Soldaten von der dritten Kompanie, die durch die Explosion aufmerksam geworden waren. Sie würden nichts finden, das wußte Zado. Die russischen Minen ließen von einem so leichten Fahrzeug nichts weiter übrig als den Explosionskrater und ein paar geschwärzte Blechfetzen. Vielleicht eine abgerissene Hand oder einen Fuß. Das würde alles sein. Er ließ die Maschine anfahren und jagte sie in halsbrecherischem Tempo zurück. Auf dem Rücken spürte er den Schweiß, der im scharfen Fahrtwind langsam erkaltete. Er traf den Melder unweit der Stelle, an der der Volkswagen ihn erwartet hatte. Als er vom Fahrersitz stieg, sagte er mit trockener Kehle: „Zu spät. Ich habe sie nicht mehr erwischt. Sie sind in die Minen gefahren."
    „Ich habe es gehört", sagte der Melder teilnahmslos, „welche von uns?"
    „Ich weiß nicht", gab Zado zurück, „ein Oberfeldwebel und ein Unteroffizier. Sie fragten mich nach dem Weg zur Dritten, und ich sagte ihnen, daß da vorn die Minen wären, aber sie fuhren dann doch drauflos, und ehe ich mit dem Rad hinterherkam, waren sie schon drin."
    „Pech", sagte der Melder. Er stieg auf und bedeutete Zado mit einer Kopfbewegung, sich auf den Soziussitz zu hocken. „Laß uns hier verschwinden. Mir

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