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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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ein MG-Nest an. Er hat Auszeichnungen. Ein Soldat, wie er im Buche steht. Aber unlängst schlug er sich mit einem Kameraden, der einen streunenden Hund erschoß. Er schlug
    ihn halbtot. Am Abend weinte er darüber. Das ist Bindig." Der
Oberfeldwebel bastelte am Riemen des Helmes. Ich werde dir noch mehr erzählen, dachte Zado, ich werde es zuerst so versuchen. Er war sich klar darüber, daß sein Versuch erfolglos bleiben konnte, aber er machte ihn.
    „Sieht gar nicht so gewalttätig aus", bemerkte der Oberfeldwebe! interessiert. „Sieht beinahe aus wie ein lang gewachsener Gymnasiast."
    „Ist er auch!" bestätigte Zado. „Aber er war der beste Schüler bei der Nahkampfschule. Er kennt sich aus. Wenig Muskeln, dafür Schnelligkeit und Härte. Und anatomische Kenntnisse. Das ist äußerst wichtig."
    „So ...", sagte der Oberfeldwebel, „ein Schläger. Ein aufrührerischer Schläger. Der Mann ist ein Meuterer, weiter nichts. Ein harmlos aussehender Meuterer!"
    Zado tat bestürzt. Er tat so, als käme ihm die Bemerkung des Oberfeldwebels völlig überraschend. „Bindig ein Meuterer?" Er schüttelte energisch den Kopf. „Da muß ein Irrtum vorliegen! Ich kenne Bindig sehr lange. Er ist ein Mensch, auf den man sich völlig verlassen kann. Er hat..."
    „Ja, ja ..." Der Oberfeldwebel winkte ab. „Wir haben da unsere Erfahrungen. Wir kennen unsere Leute. Hinter ihrer Abneigung gegen die Feldgendarmerie verbirgt sich in den meisten Fällen ihre negative Grundeinstellung. Wir werden diesen Bindig übermorgen ebenso vorführen, wie wir heute diesen Gerhard Bachmann vorführen. Wir kennen unsere Leute! Von hundert, die wir vorführen, kehren zwei zu ihrer Einheit zurück. Das ist der Beweis dafür, daß wir unsere Leute kennen."
    Zado schwieg eine Weile. Sie fuhren langsam einen Weg entlang, der sich durch buschbewachsenes Wiesengelände hinzog. Ein paar eingestürzte Unterstände lagen an der rechten Seite. Verrostete Blechkisten, zerquetschte Kartuschen, Fetzen von Zeltplanen.
    „Wir nähern uns dem Gefechtsstand der vierten Kompanie", sagte Zado. „Ich werde mich hier gleich erkundigen, wo die dritte jetzt ihren Gefechtsstand hat."
    Es war ein unerhörtes Wagnis, mit diesem klapprigen Volkswagen bis an den Gefechtsstand heranzufahren. Jeden Augenblick konnte die Artillerie mit der Beschießung einsetzen. Es war hoffnungslos, dann den Wagen wieder heil nach hinten zu bekommen.
    Aber Zado hatte seinen Plan bei den letzten Worten des Oberfeldwebels bereits geändert. Er sah ein, daß er mit vernünftigen Worten nichts erreichen würde. Innerhalb weniger Minuten hatte er eine grausame Entscheidung getroffen. Sie fiel ihm leicht, weil es sich um Bindig handelte. Bei jedem anderen hätte er sich taub gestellt, aber bei Bindig war das etwas anderes. Er hing an Bindig. Und Bindig war verloren, wenn der Oberfeldwebel ihn vorführen ließ, das wußte Zado. Er war schon verloren, wenn dieser Oberfeldwebel und sein Fahrer überhaupt wieder zu ihrer Dienststelle zurückkehrten. Zado sagte sich, daß er in der nächsten halben Stunde handeln mußte, wenn er den Freund retten wollte. Er setzte alles auf eine Karte. Während der Wagen auf einen Waldrand zufuhr, der sich kilometerweit vor ihnen erstreckte, gleichsam das Hinterland von der Front trennend, sagte er zu dem Oberfeldwebel: „Ich empfehle, hier am Waldtand zu halten. Ich laufe dann die paar hundert Meter bis zur vierten Kompanie und lasse mich einweisen. Dort werden sie mir auch ungefähr sagen können, wo dieser Bachmann liegt. Da brauchen wir nicht lange herumzusuchen. Es wird ohnehin in der nächsten Viertelstunde finster sein, und dann dürfte der Abendsegen von den Russen kommen. Vielleicht schaffen wir es bis dahin."
    „Wäre vernünftig", kam von hinten die Stimme des Oberfeldwebels. „Hoffentlich liegt der Kerl nicht gerade im ersten Loch..."
    „Hoffentlich!" gab Zado zurück, während der Wagen hielt und er sich ans Aussteigen machte. „Ich werde mit der Dritten telefonieren und mich genau erkundigen."
    „Fixer Bursche", stellte der Oberfeldwebel fest, nachdem Zado verschwunden war, „diese Fallschirmjäger sind ein gefährlicher Haufen. Man weiß nicht genau, was sie überhaupt treiben. Jedenfalls haben sie irgendein Kommando von großer Wichtigkeit. Und dann solche Subjekte wie dieser Bindig. Der kann einen ganzen Zug solcher Leute versauen wie diesen hier!"
    „Eine ganze Kompanie", bestätigte der Fahrer.
    Zado hastete auf dem Waldweg vorwärts. Er

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