Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
schwächer, sie erhellten die Gegend um den Unterstand nicht mehr.
    „Wenn bloß die Maschine nicht kaputt ist...", sagte der Melder. „Ich habe keine Lust zur Infanterie ..."
    Ob Bindig Angst hat? fragte sich Zado. Er wird keine Angst haben. Es wird ihm egal sein, was sie mit ihm machen. Bei Licht besehen, können sie uns gar
    nicht mehr erschrecken. Mit nichts. Wir sind an das Schlimmste gewöhnt. Vielleicht ist die Strafkompanie dagegen eine Erholung. Vielleicht. Es ist nicht gewiß, denn es ist von dort noch keiner zurückgekommen. Aber immerhin ist es möglich. Ich werde Bindig nichts davon sagen, daß ich die beiden in die Minen gelotst habe. Es ist gut, wenn es niemand außer mir weiß. Bindig würde nie ein Wort davon verlauten lassen, das ist sicher. Aber ich werde es ihm trotzdem nicht sagen. Sonst bildet er sich dauernd ein, daß er sich erkenntlich zeigen muß. Unsinn, erkenntlich zeigen! Er soll lieber lernen, die Schnauze zu halten und sich zu beherrschen. Ein Feldgendarm, mit dem man Streit bekommt, muß fünf Minuten später tot sein, oder man ist selber ein toter Mann. Das muß er endlich einsehen, der liebe Bindig. Es ist nicht der erste Feldgendarm, der an dieser Kante umgelegt wurde. Es gibt zu viele von ihnen hier herum.
    Schörner hat hinter jeden Soldaten einen Feldgendarm gestellt. Bloß in der Luft hat er keine. Dafür aber auf den Flugplätzen. Hinten, in den Dörfern, surren sie mit Volkswagen herum wie die aufgescheuchten Hummeln. Hitler hat gesagt, das letzte Bataillon, das nach diesem Krieg marschiert, wird ein deutsches sein. Voraussichtlich wird es aus Feldgendarmen bestehen.
    „Gib mir noch eine Zigarette...", bat der Melder. Er rückte an Zado heran. „Wenn bloß an der Maschine nichts kaputt ist! Am schlimmsten ist es, wenn der Tank und die Leitungen was abgekriegt haben. Der Zylinder geht von Splittern kaum kaputt, aber das andere Zeug ..."
    Zado gab ihm eine Zigarette und lehnte sich zurück. Dabei sagte er: „Ich glaube, es nimmt ab. Die Spucker haben schon aufgehört." Es stimmte. Die Granatwerfer schwiegen. Nur die Siebzehnzwo schossen noch. Aber auch ihr Feuer wurde schwächer. Zwischen den einzelnen Einschlägen, die weit entfernt lagen, hörte man Verwundete schreien. Zado dachte wieder an die beiden in dem Minenfeld. Sie sind unerhört schnell gestorben, dachte er. Sie wissen nichts mehr von diesem Feuer. Sie haben überhaupt nichts gewußt.
    Ihnen wäre es zu gönnen gewesen, ein paar Stunden mit aufgerissenem Leib im Wald zu liegen. Er schüttelte den Kopf. Wie leicht es einem fällt, solche wie diese zu töten, dachte er. An die beiden Russen, die in der Bahnwärterbude schliefen, werde ich noch monatelang denken müssen. Aber an die ...
    „Du...", erinnerte ihn der Fahrer, „das mit den Zigaretten brauchst du nicht zu machen. Ein paar Schachteln genügen. Und eine Schachtel Schokolade. Ich will dich nicht ausnehmen. Schließlich kostete es mich ja nichts, als ich dir die Maschine gab. Aber ein paar von den Pervitintabletten... wenn ich manchmal in der Nacht fahre. Sie geben uns keine. Wenn es nach unserem Chef geht, kannst du auf dem Sattel einschlafen, Hauptsache, die Meldung kommt an ..."
    „Du bekommst welche", versprach Zado, „ich werde dir eine ganze Handvoll geben, denn ich nehme die Dinger niemals, und wir bekommen bei jedem Einsatz frische."
    Als das Feuer verstummte, schoben sie die Maschine wieder auf den Weg. Sie hörten Fahrzeuge durch den Wald brummen. Hin und wieder rief irgendwo eine Stimme nach dem Sanitäter. Weiter rechts rumorten noch kleinere Kaliber. Von dort kam auch vereinzeltes Gewehrfeuer. Dazwischen stiegen Leuchtkugeln über den Wald und segelten langsam wieder abwärts. Der Meldefahrer trat die Maschine an. Er horchte ungläubig auf den Motor, der sofort störungsfrei lief. Er suchte mehrere Minuten nach der Stelle, an der der Splitter aufgeschlagen war, den sie gehört hatten, aber er fand nichts.
    „Zu dunkel!" schrie er Zado ins Ohr. „Wird nicht viel gewesen sein. Jetzt aber nichts wie fort!"
    Sie fuhren an einer Kette von Fahrzeugen vorbei, die langsam heranrollten. Es waren Mannschaftswagen. Über die Sitze waren Bahren gelegt.
    „Muß ganz schön 'reingehauen haben ...", rief Zado, aber der Fahrtwind riß ihm die Worte vom Mund, und der Melder hörte sie nicht.
    Er gab zuerst dem Melder die Zigaretten und die Pervitin-tabletten, als sie im Dorf angelangt waren. Erst danach meldete er sich bei dem Leutnant. Das Gesicht Alfs

Weitere Kostenlose Bücher