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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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kannte die Gegend genau. Er wußte, wo die dritte Kompanie lag, aber er hoffte nur, beim Gefechtsstand der vierten Kompanie noch den Meldefahrer von der Division zu treffen. Mit einem Male wurde der Wald lichter. Das Unterholz war dünn, und man konnte Hunderte von Metern weit sehen bis zum jenseitigen Rand des Waldes, wo sich wieder buschiges Wiesengelände anschloß, in dem die Stellungen lagen. Neben dem Weg hielten leichte Troßfahrzeuge einer Granatwerfereinheit. Die Mannschaften standen herum und rauchten. Zado eilte an ihnen vorbei, ohne sie zu beachten. Als er bereits auf Sichtweite an den Unterstand herangekommen war, in dem sich der Gefechtsstand befand, hörte er das Motorrad des Melders. Er lief schneller. Vor dem Unterstand erkannte er den Fahrer, der soeben langsam wendete, um zurückzufahren.
    Er erblickte Zado im ungewissen Dämmerlicht und stoppte die Maschine.
    „Was willst du hier?" erkundigte er sich kopfschüttelnd. „Hier gibt's keine Weiber ..."
    Zado winkte unmutig ab. Er mußte zuerst einige Male tief atmen, er war zu schnell gelaufen.
    „Fährst du zurück?" fragte er.
    ja. Wird Zeit Ich möchte hier nicht eins auf die Rübe kriegen."
    „Du kannst mir einen Gefallen tun", sagte Zado erregt.
    Der andere sah ihn verwundert an und stellte den Motor ab. „Was ist?" fragte er. „Willst du mit heimfahren? Setz dich drauf."
    „Das auch", sagte Zado, „aber ich muß vorher noch zur dritten Kompanie."
    „Da läufst du erst hierher?" grinste der Melder. „Du weißt doch, daß die viel weiter links drüben liegen. Setz dich drauf, ich fahre dich bin. Aber ich mache das nicht umsonst. Was bietest du?"
    „Du sollst dich nicht beklagen", erklärte Zado. „Du kriegst von mir alle Zigaretten, die ich noch habe, und fünf Schachteln Schokolade."
    „Schön", sagte der Melder, „aber wie viele Zigaretten sind das?"
    „Zehn Schachteln", antwortete Zado, „anständige. Korfu rot. Ein paar Zigarren sind auch noch da."
    „Die kannst du selbst rauchen", sagte der Melder grinsend, „aber so viele Zigaretten will ich dir gar nicht abnehmen. Hast du nicht noch ein paar von euren Pervitintabletten?"
    „Klar", antwortete Zado sofort, „eine ganze Handvoll. Wenn du die willst, kannst du sie haben. Aber du brauchst mich gar nicht zur dritten Kompanie zu fahren. Ich brauche dein Krad, weiter nichts. Und das für zehn Minuten. Du kannst hier warten. Dann fahren wir zusammen heim. Einverstanden?" Der Melder schob den Helm ins Genick und kratzte sich über der Stirn in seinem Haar. Er verzog sein Gesicht und kniff ein Auge dabei zu. Dann sagte er: „Was steckt denn da wieder hinter?"
    „Reg dich nicht auf!" sagte Zado. „Ich bin schon mehr auf dem Krad gefahren als du."
    „Und warum soll ich dich denn nicht fahren?"
    „Weil ich keinen dabei brauchen kann."
    „Sag mir lieber, was los ist, dann kannst du gleich abfahren."
    Zado bedeutete ihm mit ein paar ungeduldigen Handbewegungen, abzusteigen, und der Melder bequemte sich kopfschüttelnd dazu. Er war ein schwerfälliger, gutmütiger Hannoveraner, und Zado war ihm nicht unsympathisch. Er sah erstaunt auf, als Zado sagte: „Es ist weiter nichts los, als daß ein paar Kumpels in Gefahr sind. Die will ich raushauen !"
    „Mit meinem Krad?"
    „Deinem Krad passiert nichts. Nun mach schon!"
    Der Melder stieg ab und überließ Zado kopfschüttelnd das Rad. „Du bist ein verrückter Hund", sagte er belustigt, „du bist der verrückteste Hund zwischen Ostpreußen und Moskau ..."
    „Geh einstweilen den Waldweg zurück!" rief ihm Zado noch zu, bevor er abfuhr. „Ich nehme dich dann schon auf!" Er lachte, und der Melder setzte sich, immer noch kopfschüttelnd, in Bewegung. Zado ließ die Maschine laufen. Er gab so viel Gas, daß er auf dem holprigen Waldweg mit einer geradezu verwegenen Geschwindigkeit dahinschoß. Er berauschte sich an dem Tempo. Er verdrängte die Gedanken damit. Zado konnte jetzt keine Gedanken brauchen. Er bereitete sich nüchtern und umsichtig darauf vor, die beiden Männer in dem Volkswagen zu töten.
    Als er das Fahrzeug erreicht hatte, erklärte er dem verwunderten Oberfeldwebel: „Sie haben den Melder abgeschossen, und es ist keiner da, der die Maschine zurückbringt. Ich bin der einzige, der sie fahren kann ..."
    Er wendete und setzte einen Fuß auf den Boden.
    „Hören Sie, Herr Oberfeldwebel", begann er, „die Dritte liegt hier drüben, einen halben Kilometer weiter links. Ich habe telefoniert. Der Bachmann hält sich in der

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