Die Stunde der toten Augen
nickte er nur, und an einem Satz weiterschreibend, fragte er beiläufig: „Na, alles in Ordnung?"
Er schrieb den Satz zu Ende und hob den Kopf, denn ihm war aufgefallen, daß Zado allein zurückkam und der Oberfeldwebel, der über Bindig Meldung erstatten wollte, nicht dabei war. Er sah in ein verschmutztes, von Anstrengung gezeichnetes Gesicht, als er aufblickte. Er wollte verwundert fragen, was es gegeben habe, aber Zado hatte schon den Mund geöffnet und berichtete ihm, daß die beiden Gendarmen auf die Minen gefahren waren. Er berichtete von dem Feuerüberfall und seinem Versuch, die beiden Gendarmen zu warnen, als er merkte, daß sie den falschen Weg einschlugen. Er erzählte das alles so sachlich und ruhig, daß selbst Alf nicht ahnte, was wirklich vor sich gegangen war.
Er kannte Zado und wußte, was er von ihm zu halten hatte. Erst nachdem Zado geendet hatte, kam er auf den Gedanken, daß es zwischen dem Zusammenstoß Bindigs mit den Gendarmen und ihrem plötzlichen Tod eine Verbindung geben könnte. Alf überlegte. Er sagte sich, daß die beiden Gendarmen tot waren und nicht mehr sprechen konnten.
Er beschloß, diese Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Es war die bequemste Art, mit ihr fertig zu werden. Er stand auf und trat an Zado heran. Der nahm im gleichen Augenblick wieder diese außerordentlich korrekte Haltung an, die Alf sonst bei ihm nicht gewohnt war. Das bestärkte ihn in
seiner Ansicht, daß Zado etwas zu verbergen hatte. Irgend etwas.
Er sagte sarkastisch: „Warum spielen Sie mit einemmal den Paradesoldaten, Zado? Hat der Tod der beiden Feldgendarmen Ihre Disziplin so plötzlich verändert, oder was sonst?"
Zado biß sich auf die Unterlippe. Er wußte, daß er einen Fehler begangen hatte. Er hätte sich ohrfeigen mögen. Du bist doch noch nicht borniert genug für solche Sachen, sagte er sich. Du hast dafür gesorgt, daß diese beiden Greifer nicht zurückkommen, aber du bist selbst noch nicht ganz damit fertig geworden. Alf ist klüger, als er aussieht. Und du hast es ihm leichtgemacht. Es wird sich zeigen, was Alf für ein Mensch ist. Er sah den Offizier an.
Alf griff in die Tasche und hielt Zado das geöffnete Zigarettenetui hin. Es waren gute Zigaretten. Er sagte leise: „Bitte." Es war nichts aus seiner Stimme herauszuhören, kein Mißtrauen, keine Mißbilligung, aber Zado wußte trotzdem, daß er Alf unterschätzt hatte. Er nahm die Zigarette und beeilte sich, Alf ein brennendes Zündholz hinzuhalten. Eine Weile standen sie sich gegenüber und rauchten schweigend. Zado blinzelte in die trübe Petroleumlampe, die die Stube erhellte. Sie war im Vergleich zu der übrigen Einrichtung geradezu ein Luxusgegenstand. In der Stube standen nur noch ein paar Kisten, die Alfs Gepäck enthielten, ein Stuhl und eine ziemlich rostige Eisenbettstelle, die unter Verwendung einiger Matratzen und Decken in eine Schlafstatt verwandelt worden war.
Er hält nichts von Komfort, dachte Zado, ich habe Quartiere von Offizieren gesehen, die Salons glichen. Vielleicht ist er zu faul, sich Zeug zusammenzuholen. Oder er will seine Genügsamkeit demonstrieren. Wer weiß das?
Zado blickte angestrengt auf ein über der Bettstelle schief an der Wand hängendes Bild, das einen blühenden Kirschbaum vor einem idyllisch gelegenen Bauernhaus zeigte. Es war ein billiger, fliegenbeschmutzter Druck, verblichen und verfärbt.
Er ist unordentlich, dachte Zado. Er hat wahrscheinlich immer jemanden gehabt, der sein Zeug in Ordnung hielt. Wenn er es allein machen muß, läßt er alles liegen, wie es liegt. Ein Muttersohn, der Krieg führt. Ein Pennäler, der seit der Kriegsschule den Endsieg in der Tasche zu haben glaubt. Man weiß nicht, was man von ihm halten soll. Solche Menschen können einem das Genick brechen.
Alf streifte die Asche von seiner Zigarette. Er ließ sie achtlos auf den Fußboden fallen. Der Fußboden war unsauber. Abgebrannte Zündhölzer lagen herum und zertretene Zigarettenreste. Zado stellte plötzlich fest, daß er immer noch den Stahlhelm auf dem Kopf hatte. Er nahm ihn verwirrt ab und strich sich das Haar zurecht.
„Haben Sie sich davon überzeugt, daß die beiden tot sind?" erkundigte sich Alf. Er hatte sich auf die Kante des Tisches gehockt und sah Zado an.
Der sagte außerordentlich ruhig: „Jawohl, Herr Leutnant. Ich habe mich davon überzeugt, daß sie tot sind. Es wird aber leider nicht möglich sein, ihre Überreste zu bergen. Sie wissen, das Minenfeld ..."
„Ich weiß",
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