Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
Herr Leutnant. Es muß ein Mißverständnis ..."
    „Kann man an die Stelle herankommen, wo das Fahrzeug hochging?"
    „Nein, Herr Leutnant." Zado wischte sich Schweißtropfen von der Stirn. „Ich bin mir nicht bewußt, weshalb ich an einem Baum..."
    „Gehen Sie jetzt", sagte Alf, „merken Sie sich: Ich lege keinen Wert darauf, daß meine Kompanie den nächsten Mann stellt, der vom Standgericht verurteilt wird. Haben Sie mich verstanden?"
    Zado bestätigte das nicht, und Alf entließ ihn trotzdem. Zado verließ das Haus und dachte: Der will Oberleutnant werden. Noch bevor der Krieg aus ist. Die Pension erhöht sich dadurch. Er steckt in der Klemme. Es ist gut, das zu wissen. Es beruhigt. Er stolperte in die Dunkelheit hinaus und suchte das Haus, in dem sein Quartier war. Er fand Bindig nicht. Da beschloß er, sich zu waschen und dann nach dem einsamen Gehöft zu gehen. Er pumpte auf dem Hof Wasser in einen Eimer und trug ihn in das Haus. Bindig hat die Fleischbüchsen mitgenommen, dachte er. Ich muß mich beeilen, er wird auf mich warten.
----
Werner Zadorowski:
    Ich komme nicht wieder, rothaariges Nachtgebet.
    Er lehnte an einem Gartenzaun, ein nicht sehr großer, flinker Junge mit stark gekrümmter Nase. Er trug das Haar sehr kurz, und seine Knie waren zerschunden, die kurze Hose ließ es erkennen. Er schaute über die Gärten hinweg, dorthin, wo die Stadt begann. Sie begann mit Reklameaufschriften von Persil und Rama-Margarine. Er sah dorthin, als warte er auf jemand, aber über die Wiese mit dem ausgedörrten Gras kam niemand. Auch auf dem Weg zwischen den Gärten war niemand zu sehen. Um diese Zeit machten die Frauen das Mittagessen fertig, und die Männer arbeiteten. Es war heiß. Werner Zadorowski überlegte angestrengt, ob es sich lohne,
    noch vor dem Mittagessen zum Bach hinab zu laufen. Er entschied sich dafür, es erst nach dem Mittagessen zu tun. Es gab Ärger zu Hause, wenn er zu spät kam.
    „Komm", sagte er zu einem der Jungen, die ihn umstanden, „wir machen es noch mal. Jeder drei Würfe." Er griff in die Hosentasche und zog ein Fünfpfennigstück heraus. Er warf es in die Luft und fing es geschickt wieder auf.
    „Ich setze fünf Pfennig. Was setzt ihr?"
    Die Jungen setzten Veilchenpastillen und klebrige Drops in schmutzigem Papier. Das Mädchen blieb auf dem Gras hocken und blinzelte Werner an.
    „Du nicht?" fragte er sie.
    Es war ein kleines, dürres, rothaariges Mädchen. Sechste Klasse wie er. Sie saß in der Bank vor ihm. Manchmal blickte er eine ganze Stunde lang nur auf ihren Rücken und nicht auf den Lehrer an der Tafel. Sie hatte einen schmalen Rücken, und Ihr Haar hing weit herab wie eine entflammte Fackel. Das Mädchen hieß Franziska. Sie war sauber angezogen und gewaschen. Sie hatte die Augen einer Siebzehnjährigen.
    „Ich gucke zu", sagte Franziska.
    Er verzog das Gesicht und nahm das Messer aus der Tasche. Einer der anderen befestigte das Bild an der Rückwand der Gartenlaube. Er tat es sehr gewissenhaft, mit Stecknadeln, die er einer flachen Blechschachtel entnahm. Es war ein Reklamebild aus einer Packung Francks Kaffee. Unter dem Kopf des ernst blickenden Mannes stand der Name Carl Peters. Auf der Rückseite war zu lesen, weshalb man ihn auf ein Reklamebild druckte, aber das hatten die Jungen nicht gelesen.
    „Es hängt schief", bemängelte Werner, „und etwas zu hoch."
    Nach ein paar Minuten hing das Bild richtig. Sie hatten alle ihre Messer herausgenommen. Ein halbes Dutzend Jungen mit einem halben Dutzend verschiedener Messer. Mit Sandpapier glänzend geriebene Taschenmesser, Küchenmesser.
    Werner hatte das schönste Messer. Es hatte eine Mark gekostet. Die hatte er mit Botengängen verdient. Er nahm das Messer und ließ es in der Sonne blinken. Es war scharf geschliffen, und vom Griff hingen zwei lange rote Bänder herab. Er wog es in der Hand und sagte: „Werft ihr zuerst. Drei Würfe, jeder zählt. Die mit Treffern machen noch eine Runde."
    Er hockte sich neben Franziska, während die anderen sich ein paar Meter von dem Bild entfernt aufstellten und die Messer schleuderten. Er brauchte nicht um sein Fünfpfennigstück zu fürchten, die anderen konnten nicht mit ihren Messern umgehen. Ein Zufall konnte ihm Pech bringen, aber dieser Zufall war selten. Die anderen Jungen hofften darauf, aber ihre Hoffnungen blieben unerfüllt. Einer traf den Rand des Bildes. Es war das einzige Messer, das dem Mann auf dem Bild überhaupt hatte gefährlich werden können. „Ah
    ..."

Weitere Kostenlose Bücher