Die Stunde der toten Augen
unterbrach ihn Alf, „dieses Minenfeld war ein sehr glücklicher Zufall, nicht wahr, Zado?"
„Ich verstehe nicht, Herr Leutnant", sagte der vorsichtig.
„Nicht nötig", sagte Alf, „ich meine, es ist nicht nötig, daß Sie meine Gedanken verstehen. Was halten Sie eigentlich von Feldgendarmen im allgemeinen?"
Zado spürte, daß ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er ärgerte sich, daß er den Stahlhelm abgenommen hatte. Alf würde den Schweiß sehen. Er beschloß, diesem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Es war ein Versuch, Alf zu täuschen, und er fing es einigermaßen geschickt an. Nicht geschickt genug, um Alf wirklich zu täuschen.
Er sagte freimütig; „Ich halte nichts von der Feldgendarmerie, Herr Leutnant. Ich halte sie für überflüssig."
Alf lächelte. Er blickte Zado eine Weile wohlwollend an und sagte; „Diese Auffassung teilen Sie offensichtlich mit Bindig. Habe ich recht?"
„Ich weiß nicht genau, wie Bindig darüber denkt", sagte Zado vorsichtig.
„Aber ich!" bestätigte ihm der Leutnant. „Und vor allem die beiden Feldgendarmen, die Sie geführt haben, die wissen das ganz genau. Sagen wir: Sie wußten es, denn ein Toter weiß nichts mehr. Er kann auch nichts mehr aussagen. Er kann niemand mehr etwas tun und nichts veranlassen. Der Tod hat seine guten Seiten, wenn man es so betrachtet."
Zado atmete auf. Er fühlte sich in diesem Augenblick ein wenig sicherer, weil er nun wußte, woran er mit Alf war. Er sagte nachdenklich: „Das ist eine philosophische Frage, Herr Leutnant. Ich habe das bißchen Philosophie aus meiner Schulzeit beinahe vergessen ..."
„Sagen Sie das nicht!" korrigierte ihn Alf. „Sie bilden sich nur ein, es vergessen zu haben. Philosophie ist nichts, was man vergißt. Es ist wie eine Substanz, die ins Blut geht. Man trägt sie in sich und kann sie nicht mehr verlieren. Alles, was man tut, ist auf dieser Philosophie gewachsen. Auch bei Ihnen. Und auch wenn Sie das nicht zu wissen vorgeben, Zado."
„Es ist möglich, Herr Leutnant", gab Zado zu, „ich bin in diesen Dingen nicht sehr bewandert."
Alf lächelte breit. Er steckte eine Hand in seine Hosentasche und sagte freundlich; „Sie machen sich schlechter, als Sie sind, Zado! Sie sind doch ein Mensch mit guter Schulbildung. Sie sind doch ein intelligenter Mensch. Ein sehr intelligenter sogar. Dazu kommen Ihre militärischen Fähigkeiten. Und die Eigenschaft, blitzschnell richtige Entschlüsse zu fassen. Oder ist das nicht so?"
Zado blinzelte in das Licht der Petroleumlampe. Er sagte bescheiden: „Ich weiß nicht, ob meine Entschlüsse immer richtig sind, Herr Leutnant. Ich kann das nicht so recht beurteilen."
„Aber ich!" sagte Alf. Er richtete sieh auf und sprach weiter. „Manchmal muß man sich sehr schnell für irgend etwas entscheiden. Sie haben sich beispielsweise heute sehr schnell dafür entschieden, die beiden Feldgendarmen zu führen. Glauben Sie nicht, daß dieser Entschluß richtig gewesen ist?"
„Ich glaube, er war richtig", sagte Zado, „der Melder war unterwegs, und ich hatte Zeit, den Oberfeldwebel und den Unteroffizier zu führen."
Alf griff sich an die Stirn, als habe er Kopfschmerzen. Er lächelte wieder.
„Ach ja, der Melder", sagte er, „das war auch ein solcher Zufall. Dieser Zufall und der, daß es vorn noch das Minenfeld gibt, diese beiden Dinge haben vermutlich Bindig davor bewahrt, zu einer Strafkompanie versetzt zu werden."
„Ich verstehe nicht, Herr Leutnant", sagte Zado ruhig.
Alf nickte. Er lächelte nicht mehr, aber sein Gesicht war nicht erregt. Es war gleichgültig.
„Sprechen Sie mit Bindig darüber", sagte er kurz. Dann ließ er ein paar Minuten verstreichen, bevor er das nächste Wort sprach. „Zado", sagte er, während er dem Obergefreiten ins Gesicht sah, „Sie sind länger bei dieser Kompanie als ich. Sie sind Obergefreiter, ich Leutnant. Achten Sie darauf, daß Sie diesen Krieg nicht als Leiche, an einem Baum hängend, beenden. Sie sind auf dem besten Wege dazu." Er machte eine kleine Pause. Dann sagte er: „Fertigen Sie einen Bericht an, auf welche Weise die beiden Feldgendarmen ums Leben gekommen sind. Geben Sie den Ort und die Zeit an. Weshalb sind Sie so schmutzig?" •
„Der Abendsegen", erwiderte Zado. „Es erwischte mich auf halbem Wege. Ich fuhr mit dem Melder vom Divisionsstab."
„Geben Sie mir diesen Bericht noch heute. Er braucht nicht lang zu sein."
„Jawohl, Herr Leutnant!" sagte Zado. „Ich verstehe Ihre Andeutungen nicht,
Weitere Kostenlose Bücher