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Die Stunde der toten Augen

Die Stunde der toten Augen

Titel: Die Stunde der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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wenig Schaden anrichtete. Um das Lager empfindlich zu treffen, würde man einen Teppich von Bomben werfen müssen, und dann würde der Erfolg trotzdem gering sein.
    Das ist es, was wir primitiv nennen, dachte Bindig. Es sieht so primitiv aus, daß man glaubt, sie tun es zum erstenmal in ihrem Leben. Aber sie wissen genau, weshalb sie es so tun und nicht anders. Sie sind die Praktiker dieses Krieges. Sie hatten gar keine Zeit, eine Theorie dafür auszuarbeiten. Sie mußten sich einfach wehren, und inzwischen haben sie so gut zuschlagen gelernt, daß ihre Praxis zur Theorie geworden ist. Auch zur Theorie des Aufstapelns von Artilleriemunition unweit der Stellungen schwerer Batterien. Und das sieht so aus wie hier. Mit langsamen, vorsichtigen Bewegungen zog sich Bindig ein wenig tiefer zwischen die Fichten zurück. Dort nahm er die Karte und zeichnete mit dem Stift eine dicke Linie um den Platz, an dem sich das Lager befand. Er trug noch die Standorte der Posten ein, die er gesehen hatte, und als er damit fertig war, überlegte er, wo er den Rest der Zeit verbringen konnte. Die Maschine kam um drei Uhr nachts, und die Stelle, an der sie die Gruppe aufnehmen würde, lag nur wenige Kilometer entfernt hinter dem Wald.
    Als er die Posten hinter sich hatte, schlug er die Richtung auf den Waldrand ein, von wo er gekommen war. Er bewegte sich gebückt und sehr langsam vorwärts, oft längere Zeit still an die Schneedecke geschmiegt, lauschend und die Gegend, die vor ihm lag, absuchend. Als er mit einemmal eine Schrittspur vor sich sah, blieb er zunächst minutenlang bewegungslos liegen, bevor er näher kroch und die Fußtapfen untersuchte. Sie hatten sich tief in den weichen Schnee eingeprägt und stammten von Schuhen, wie er selber sie trug. Der Abdruck der Gummisohle war unverkennbar. Als er die Hand in die Vertiefung im Schnee legte, merkte er, daß die Spur frisch war. Der Schnee war an den Rändern noch locker. Er war, seit der Mann hier vorbeigegangen war, noch nicht gefroren. Es war eine Spur, die nicht älter war als eine halbe Stunde.
    Eigentlich gab es keinen Grund, ihr zu folgen, aber Bindig folgte ihr trotzdem. Das Lager war gefunden. Wenn die Spur einem gehörte, der es noch immer suchte, dann konnte er ihm sagen, daß er sich die Mühe sparen soll. Und zu zweit war es möglich zu schlafen. Man war sicher, wenn der andere wachte und man selbst in der feuchten, halbgefrorenen Kleidung im Schnee schlief. Die Spur führte immer weiter vom Lager fort. Manchmal verlor sie sich auf einem Stück festgefrorenem Boden, aber es gelang Bindig immer wieder, sie zu finden. Als er beinahe den Waldrand erreicht hatte, blieb er plötzlich stehen und duckte sich instinktiv. Es war nichts zu sehen und kein Laut zu hören, aber er spürte trotzdem, daß sich ein Lebewesen in seiner Nähe befand. Auf dieses Gefühl war Verlaß, es hatte ihn noch nie betrogen. Er war sicher, daß jemand nahe war, aber das mußte nicht unbedingt der sein, dessen Spur er folgte.
    Eine lange Zeit blieb er bewegungslos, an den dünnen Stamm einer Fichte geschmiegt, hocken. Er drehte den Kopf und lauschte. Es geschah nichts. Schließlich kroch er langsam weiter. Die Bäume standen hier lichter, und nach einigen hundert Metern lag eine kleine verschneite Lichtung vor ihm. Die Sonne stand schon ein wenig tiefer, und sie schien Bindig ins Gesicht, so daß er die letzten Bäume vor der Lichtung nur als Silhouetten erkennen konnte. Und dann sah er die Gestalt, die sich zwischen diesen Silhouetten bewegte. Sie glitt am äußersten Rand der Lichtung entlang und vermied es, die unberührte, deckungslose Schneefläche zu betreten. Bindig erkannte im gleichen Augenblick Timm. Er mußte sich bereits auf dem Rückweg befinden.
    Bindig wußte nicht, ob er sich freuen sollte, ihn getroffen zu haben, oder ob er lieber allein weitergehen sollte. Aber er entschloß sich doch, Timm anzurufen. Er ließ ihn den gegenüberliegenden Rand der Lichtung erreichen, und dann blieb er noch eine Weile an der gleichen Stelle hocken, bis er sicher war, daß niemand Timms Spur folgte. Erst dann ging er ihm nach, und als er bis auf kurze Entfernung an ihn herangekommen war, rief er ihn leise an.
    „Na...", begrüßte ihn Timm. „Eine Frau finden ist leichter als ein Munitionslager, was?"
    Bindig zog die Karte aus der Tasche und hielt sie ihm hin.
    „Hier ist das Lager. Die Kreuze sind die Posten."
    „Oho ...", machte Timm, „du hast es gefunden?"
    „Alles."
    „Und keinen dabei

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